Einsatz digitaler Signaturen in EuropaIdentität und Authentizität des Absenders auf starke Weise garantieren

11. Oktober 2019

Für hunderte von Jahren war die Originalunterschrift so etwas wie der de-facto-Standard um unterschiedlichste Vertragsdokumente und Vereinbarungen aller Art rechtskräftig zu unterzeichnen. Vor inzwischen mehr als einem Jahrzehnt verlagerten sich immer mehr Geschäftstätigkeiten und mit ihnen die zugehörigen Prozesse ins Internet. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber mit dem Zeitalter der digitalen Transformation beginnen handgeschriebene Unterschriften auf papierbasierten Dokumenten zunehmend zu verschwinden und digitale Signaturen werden weltweit mehr und mehr akzeptiert.

Heutzutage gehen Wirtschaftsjuristen in multinationalen Konzernen bereits dazu über, digitale Signaturen zu verwenden. Das soll für mehr Sicherheit sorgen, und die Integrität einer Unmenge von täglich anfallenden Dokumenten gewährleisten. Das gilt nicht zuletzt in Europa. Frankreich liefert eines der jüngsten Beispiele. Was sämtliche öffentliche Aufträge und Vertragsdokumente anbelangt, müssen diese ab sofort zwingend mit elektronischen Signaturen unterzeichnet sein.

Das hat auch Auswirkungen auf die amerikanischen Juristen, wenn diese mit europäischen Kollegen zusammenarbeiten. Voraussetzung dafür ist ein profundes Verständnis wichtiger europäischer Gesetze wie etwa eIDAS, die sich im Detail mit dem elektronischen Signieren von Dokumenten beschäftigen.

Eine Frage der Sicherheit

Gerade die eher sicherheitsaffinen Europäer haben sich infolgedessen zunehmend gefragt wie es um Herkunft und Authentizität digitaler Dokumente bestellt ist. Fragen kommen auf wie: Wie kann man die Identität eines Signaturgebers sicherstellen? Wie lässt sich nachweisen, dass ein Dokument authentisch ist? Und nicht zuletzt: kann es eine Lösung geben, die Identität und Authentizität von Dokumenten über die Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hinweg sicherstellt?

Etwa zur selben Zeit kam auch das politische Europa zu einer Entscheidung. Es ging darum ein Mittel zu finden, mit dem man Informationen und Dienste so austauschen kann, dass die Identität und Authentizität des Absenders auf starke Weise garantiert wird. Genau das ist Sinn und Zwecke der im Jahr 2014 in Kraft getretenen Verordnung der Europäischen Union über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS oder IVT).

Mit eIDAS wird ein elektronischer Identifikationsstandard festgelegt, um Online-Transaktionen in ganz Europa abzusichern und zu optimieren. Dazu stützt sich die Verordnung auf qualifizierte elektronische Vertrauensdienste. Mittels eIDAS garantiert die EU die Anerkennung eines qualifizierten digitalen Zertifikats in ihrem gesamten Hoheitsgebiet, unabhängig vom Herkunftsland und mit dem klaren Ziel digitale Grenzen innerhalb der EU zu eliminieren. Die Verordnung erstreckt sich auf alle Sektoren um so die bisherigen Limitierungen für elektronische Transaktionen in der EU und im größeren europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu nivellieren.
Die eIDAS-Verordnung definiert drei Ebenen elektronischer Signaturen:

  • einfache elektronische Signaturen,
  • fortgeschrittene elektronische Signaturen und
  • qualifizierte elektronische Signaturen.

Die Struktur ist hierarchisch aufgebaut. Die Anforderungen jeder Ebene bauen auf denen der darunter liegenden auf. Eine qualifizierte elektronische Signatur repräsentiert somit die höchstmöglichen Anforderungen und eine einfache elektronische Signatur niedrigsten.

Qualifizierte Signaturen und qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter

eIDAS empfiehlt Unternehmen, die bei ihren digitalen Transaktionen und Informationsaustausch ein hohes Maß an Sicherheit brauchen, fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signaturen zu verwenden. Denn das ist die einzige Signaturart, die rechtlich den gleichen Wert hat wie eine handschriftliche Unterschrift.

Qualifizierte Signaturen können allerdings nur von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter (QVDA) ausgestellt werden. Der QVDA spielt eine wichtige Rolle im Prozess des qualifizierten elektronischen Signierens – gemäß eIDAS dem höchsten Maß an Sicherheit bei einer Signatur. Die Anerkennung als QVDA zu bekommen ist ein dementsprechend aufwendiger Prozess. Vertrauensdiensteanbieter müssen einen qualifizierten Status und die Erlaubnis einer staatlichen Aufsichtsbehörde eines EU-Mitgliedsstaates erhalten haben, um qualifizierte Zertifikate (für natürliche Personen) und Siegel (für juristische Personen) bereitzustellen.

Diese Zertifikate berechtigten dann zum Erstellen qualifizierter elektronischer Signaturen. Unter Einhaltung strenger Richtlinien versteht sich. Das ist aber noch nicht alles. eIDAS schreibt außerdem vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat eine Vertrauensliste der Anbieter und Dienste zu führen hat die im betreffenden Land den qualifizierten Status erhalten haben. Ein Vertrauensdiensteanbieter ist nicht dazu berechtigt, qualifizierte Vertrauensdienste bereitzustellen, wenn er nicht in der Vertrauensliste des jeweiligen EU-Mitgliedstaates aufgeführt ist.

Ein typisches Beispiel: Man will die operative Belastung in Zusammenhang mit der Übermittlung von Rechtsdokumenten über offene Netzwerke senken. Wir hatten eingangs schon erwähnt, dass die Verordnung auch US-amerikanische Juristen betrifft, wenn sie mit europäischen Kollegen und Kunden zusammenarbeiten. Es gilt also auf beiden Seiten des Ozeans eIDAS und digitale Signaturen besser zu verstehen. Das folgende Beispiel bietet hilfreiche Einblicke.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein multinationaler Technologieanbieter, der weltweit Zehntausende von Mitarbeitenden hat. Die meisten davon in Nordamerika, allerdings laufen auch in Europa laufen immer mehr Geschäftstätigkeiten an. Die Rechtsabteilung möchte die Reaktionsfähigkeit gegenüber wichtigen Interessenvertretern verbessern. Und man will die operative Belastung beim Übermitteln von juristischen Dokumenten über offene Netzwerke verringern. Gleichzeitig machen sich die Beteiligten Sorgen um Sicherheit und Compliance. Vor nicht allzu langer Zeit eine durchaus nicht unberechtigte Sorge. Heute lässt sich das Problem vergleichsweise simpel lösen.

Man kann bestimmte Dokumente wie NDAs (Non Disclosure Agreements), Angebote, die aufgrund von Ausschreibungen (RFPs) erstellt werden und gängige Verträge (häufig als PDF-Dateien) mit digitalen Signaturen versehen. Ein Vorgang, der inzwischen sehr einfach geworden und bei den meisten der großen Cloud-Anbieter Teil des Dokumentenworkflows ist. Zertifikat ist allerdings nicht gleich Zertifikat. Bestimmte rechtliche Anforderungen erfordern einen bestimmten Level auf Zertifikatsseite. Nehmen wir wieder das Beispiel unserer Rechtsabteilung. Hier erfordern nicht alle Dokumente zwangsläufig das höchste Maß an Sicherheit.

Beispielsweise rechtfertigt eine Vereinbarung zu Mergers & Acquisitions (kurz M&A) durchaus ein mit hoher Sicherheit ausgestelltes Zertifikat. Ein NDA ist eher das passende Dokument für ein niedrigeres Maß an notwendiger Sicherheit. Die sicherste Form der digitalen Signatur ist hinsichtlich der eIDAS-Verordnung an die Verwendung eines qualifizierten Zertifikats gebunden. Allerdings kann in diesem Beispielfall auch ein fortgeschrittenes Zertifikat perfekt geeignet sein, da es rechtsgültig ist, wenn auch ohne eindeutige Beweispflicht für den Signaturgeber. Anders sieht es aus, wenn ausdrücklich ein qualifiziertes Zertifikat vorgeschrieben ist.

Wenn die Rechtsabteilung die Möglichkeit bekommen hat, ihre Dokumente mit einer fortgeschrittenen oder einer qualifizierten Signatur zu sichern, handelt es sich um eine risikobasierte Methode. Mit ihrer Hilfe kann man die Sicherheitsstufe an die Art des zu signierenden und zu übertragenden Dokuments anpassen. In beiden Fällen garantieren beide Arten von Signaturen dem Empfänger des Dokuments die Identität des Unterzeichners und gewährleisten, das Dokument nicht manipuliert wurde.

Aus juristischer Sicht betrachtet gibt es aber einen Unterschied zwischen einer fortgeschrittenen und einer qualifizierten Signatur. Eine qualifizierte elektronische Signatur kehrt die Beweispflicht im Streitfall um. Hier muss der Signaturgeber nachweisen, dass er die Signatur nicht erstellt hat. Statt dass der Anspruchsteller nachweisen muss, dass der mutmaßliche Signaturgeber die elektronische Signatur tatsächlich zur Verfügung gestellt hat. Das ist der Fall, wenn man einfache oder fortgeschrittene Signaturen verwendet.

Heute Europa, morgen die USA, übermorgen die Welt?

Digitale Signaturen werden in Europa mehr und mehr verwendet. Eine Entwicklung, die sich wahrscheinlich zügig auf die USA und andere Teile der Welt ausdehnt. Für Juristen ist das eine gute Nachricht, und sie sollten nicht zögern sich mit den Regularien rund um digitale Signaturen im Detail auseinanderzusetzen.

Arvid Vermote ist Chief Information Security Officer weltweit bei GlobalSign.

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