Fertigungsunternehmen sollten mehrere Schritte befolgenDie richtige Therapie für die vorausschauende Wartung

13. Dezember 2019

Prophylaxe gewinnt auch in der IT an Bedeutung, Beispiel Instandhaltung: In verschiedenen Industriesektoren geht der Trend derzeit von der vorbeugenden hin zur – flexibleren – vorausschauenden Wartung. Damit die Therapie wirken kann, sollten Fertigungsunternehmen mehrere Schritte befolgen.

Der Befund ist eindeutig: Bei einer schadensabhängigen Instandhaltungsstrategie – die englischsprachigen Experten sprechen von „Breakdown Maintenance“ – werden Maßnahmen erst dann durchgeführt, wenn bereits ein Schaden aufgetreten oder das Objekt komplett ausgefallen ist. Doch diese Art der Wartung, die immer ungeplant und unerwartet durchgeführt werden muss, ist vor allem mit hohen Kosten verbunden. Denn wenn eine Anlage repariert oder sogar ausgetauscht werden muss, stehen wichtige Betriebsprozesse oft länger still als nötig.

Prophylaxe 4.0 liegt im Trend

Ziel vorbeugender Instandhaltungsstrategien, der „Preventive Maintenance“, ist die Vermeidung beziehungsweise Minimierung von Ausfällen durch die Umsetzung von geplanten, präventiven, in festgelegten Abständen oder nach vorgeschriebenen Kriterien durchzuführenden Instandhaltungsmaßnahmen. Hier geht es darum, Inspektionsarbeiten anhand vordefinierter Parameter wie Zeitintervalle oder Laufleistung im Voraus zu planen und so Ausfälle zu antizipieren.

Doch dieser Ansatz, bei dem turnusgemäß – auch ohne Anlass – gewartet wird, führt oftmals zu einer „Über-Wartung“ der Anlagen, die mit erheblichen Kosten verbunden ist. Und er ignoriert alle umgebungsspezifischen Variablen, unter denen eine Maschine zu einem bestimmten Zeitpunkt genutzt wird. So stellt beispielsweise der Einsatz einer Hubschrauberflotte in der Nordsee mit ihrem hohen Salzgehalt andere Herausforderungen als der in der Wüste.

Ihr gegenüber steht die vorausschauende Instandhaltung („Predictive Maintenance“), die als eine der Schlüsselinnovationen der Industrie 4.0 angesehen wird und die zunehmend in verschiedenen Industriesektoren eingesetzt wird. Sie ist Teil eines sparsameren und agileren Ansatzes, berücksichtigt den Kontext und die Nutzung der Maschine und kann die Ausfallzeiten der Anlagen um mehr als 50 Prozent reduzieren.

Schlüsselinnovation im Kontext Industrie 4.0

Einige Predictive-Maintenance-Strategien basieren auf Mechanismen wie maschinellem Lernen, wodurch mehr Intelligenz auf den Betriebskontext der Geräte angewendet werden kann. Dieser Vorgang umfasst die wichtigsten Schritte zur Analyse des Ereignisverlaufs. Daraus lassen sich die Regeln ableiten, die in „Echtzeit“ angewendet werden, um bei Bedarf Wartungsmaßnahmen einzuplanen.

Trotz aller Vorteile, welche die vorausschauende gegenüber der vorbeugenden Wartung bietet, gibt es einige Risiken und Nebenwirkungen zu beachten. In der Tat müssen sich Unternehmen den Herausforderungen von Skalierung und Datenmanagement stellen.

Diagnose

Wie in der Medizin muss auch in der IT eine Untersuchung durchgeführt werden, um eine fundierte Diagnose stellen zu können. Bevor Unternehmen eine vorausschauende Wartung einführen können, müssen sie zuerst eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen und die Vorteile ermitteln.

  • In einem ersten Schritt gilt es, die Fertigungsanlage prüfen und die „lebenswichtigen“ Elemente der Ausrüstung mithilfe von IoT und Sensortechnik zu messen: mit Beschleunigungsmessern, Druck- und Vibrationssensoren. So können sie alle verfügbaren Daten abbilden und anschließend entscheiden, wie und wo diese Daten gesammelt werden können.
  • Als zweites folgt die analytische Arbeit. Es gilt zu überprüfen, ob die Daten im Einklang mit den angestrebten Zielen stehen. An diesem Punkt der Umsetzung ihrer Predictive-Maintenance-Strategie versuchen Unternehmen in der Regel, die beobachteten Verhaltensweisen zu verstehen. Sie können sich dabei auf einen „Data Science“-Ansatz für eine „intelligente“ Analyse verlassen. Das Ziel dabei: signifikante Anomalien und Zusammenhänge zu entdecken und zu erkennen, insbesondere durch Datenvisualisierung, deskriptive Statistiken und maschinelles Lernen.
  • Im dritten Schritt müssen Unternehmen Modelle zur Fehlervorhersage entwickeln – auf Grundlage dieser Datenaufbereitung, der Analyse mit Spezialisten und dem Experimentieren mit diesen Modellen. Je konsistenter der Ereignisverlauf ist, desto zuverlässiger sind die Modelle. Nach der Validierung können sie dann im Produktivbetrieb in der Analysekette auf die kontinuierlichen Datenflüsse mit dem Echtzeit-Feedback der Sensoren angewendet werden.

Diese Implementierung der vorausschauenden Wartung tut also zweierlei: Sie vervollständigt und sie optimiert die vorbeugende Wartung.

Therapie

Unternehmen begehen oft den Fehler, nicht alle der gerade genannten Schritte zu durchlaufen, und konzentrieren sich stattdessen auf die Ergebnisse – ohne vorher ausreichend über die ihrer Größe angepasste Strategie nachgedacht zu haben.

In der Tat sind die im Labor entwickelten Prinzipien nicht unbedingt diejenigen, die systematisch für den gesamten Maschinenpark reproduziert werden können. Daher ist es erforderlich, eine skalierbare Lösung zu verwenden, mit der Unternehmen problemlos skalieren können. Predictive Maintenance funktioniert oft sehr gut im Maßstab eines Labors oder einer gezielten Initiative. Komplexer wird es, wenn das Unternehmen die Modelle auf einen Park von 100 Maschinen oder eine Anlagengruppe anwenden möchte.

Darüber hinaus müssen Unternehmen lernen, ihre Daten gut zu verwalten. Sie sollten daher niemals ein Projekt starten, ohne ihr Datenkapital bewertet, die notwendigen und die fehlenden Informationen sowie die Zusammenhänge zwischen diesen Daten identifiziert zu haben. Und schließlich sind sehr detaillierte Kenntnisse in Bezug auf die überwachten Maschinen und deren Eigenheiten, inklusive kritischer Vorkommnisse, der Grundstein für eine erfolgreiche Implementierung von Predictive Maintenance.

Wie in der Medizin gilt auch in der IT: Kann die Entstehung einer Erkrankung verhindert werden, ist die anschließende kostspielige Behandlung erst gar nicht nötig. Bei der Einführung der vorausschauenden Wartung müssen Unternehmen mehrere Faktoren berücksichtigen. Nur wenn sie die entscheidenden Schritte sorgfältig überwachen, die Möglichkeiten zur Skalierung im Detail verstehen und die Business-Teams einbeziehen, können sie damit erfolgreich sein.

Wolfgang Kelz ist VP Solution Consulting EMEA bei TIBCO Software.

Tibco Software

Lesen Sie auch