Beschaffungsmanagement in Zeiten der PandemieRisiken in Lieferketten erkennen, Stabilität der Produktion sichern

26. Juli 2021

Die Pandemie hat in vielen Bereichen das gestört, was ohnehin schon mit Risiken behaftet war – so auch in der Logistik. Von jetzt auf gleich konnten Lieferanten gar nicht mehr oder nicht im gewohnten Umfang liefern, brachen Lieferketten ein. Die Auswirkungen auf die Produktion waren verheerend. Dabei hätten gewisse Gefahren bereits im Vorfeld ausfindig gemacht und ihnen entgegengearbeitet werden können. Grundlage dafür ist ein Lieferantenmanagement mit gewissen Mitteln und Systemen. Setzen Unternehmen dieses systematisch ein, sichern sie ihre Produktion auch in Krisenzeiten ab.

Die Auswirkungen der Pandemie waren in Bezug auf Lieferketten zu allen Seiten hin spürbar. Dabei hat die Krise im Grunde nur offengelegt, was vorher schon gegeben war: die Anfälligkeit von Lieferketten. Vor allem Unternehmen, die ihre Waren von wenigen Lieferanten in der gleichen Region beziehen, haben unter der Pandemie und den verhängten Lockdowns massiv gelitten – die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten trat zutage.

„Dabei hätten solch störanfällige Ketten durch Analysen bereits im Vorfeld erkannt werden können“, erklärt Michal Říha, Mitglied der Geschäftsleitung der PROTEMA Unternehmensberatung GmbH. Die Unternehmensberatung ist weltweit aktiv und auf Strategie- und Prozessberatung sowie Fabrik-, Produktions- und Logistikplanung spezialisiert.

Analysen decken Störanfälligkeiten auf

Für Fertigungsbetriebe in der Industrie führten die durch Krisen entstandenen Versorgungsengpässe zu Produktionsausfällen und Umsatzeinbrüchen – gerade in Unternehmen die auf das Prinzip Just-in-time setzen und ihre Lieferketten somit auf Redundanzen auslegen. Um sich auf Störfälle, wie sie durch die Corona-Krise bedingt waren, bestmöglich vorzubereiten, sollten Unternehmen für Transparenz in der Lieferkette sorgen. Dafür ist der Aufbau eines systematischen Lieferantenmanagements unablässig. „Für die Risikobewertung von Lieferketten spielt eine solche Organisation eine wesentliche Rolle“, weiß Michal Říha.

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Quelle: Protema

Bereits in der Lieferantenentwicklung können die Manager Risikogebiete identifizieren und mögliche Störszenarien mit Hilfe der Fehlermöglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA) durchspielen. In der Produktion ist die FMEA bereits eine gängige Methode, um mögliche Störprozesse ausfindig zu machen. Die Methode lässt sich aber auch gut auf Logistikketten übertragen. Mögliche Risiken und Engpässe in der Lieferung lassen sich so im Vorfeld erkennen – und beheben.

Auch Frühwarnsysteme und Cockpits können hilfreich sein und sollten Lieferantenmanagern als Tools an die Hand gegeben werden. In diesen Kennzahlensystemen lassen sich verschiedene Kriterien und Kenndaten implementieren – auf die Branche und das Unternehmen zugeschnitten. Toleranzen werden hier ebenfalls berücksichtigt und nach den Belieferungsformen unterschieden.
Die Kennzahlsysteme liefern Kenndaten auf der Bedarfsseite, Unternehmen erhalten so eine Übersicht über die Lieferperformance ihrer Logistikketten.

„Die Automobilindustrie ist hier schon weit und dient als Vorreiter“, meint Michal Říha. Leitlinien wie die VDA 4949 für das Labeling oder die VDA 4500 für das Packaging kommen ursprünglich aus der Automobilindustrie, lassen sich aber auch für andere Branchen nutzen. Zumal Lieferanten nicht nur Autobauer beliefern, sondern auch andere Betriebe. Diese profitieren dann von Standards, die sich etabliert haben und die sie auf andere Bereiche anwenden können.

Interne und externe Netzwerke flexibilisieren

Darüber hinaus ist aber auch die Flexibilisierung von Netzwerken wichtig. Lassen sich Waren von verschiedenen Lieferanten beziehen und Lieferanten bei Engpässen schnell ändern, können Unternehmen rechtzeitig auf Schwankungen reagieren und Produktionsausfälle vermeiden. Ein kontinuierliches Netzwerkmonitoring verschafft einen Überblick über Veränderungen in der Performance und zeigt an, wie sich einzelne Parameter verändern.

Zusätzlich bieten spezielle Beschaffungsplattformen ein hohes Maß an Flexibilität, da sie verschiedene Netzwerke nutzen. Statt sich auf einen Lieferanten oder eine Region zu verlassen, steht Produktionsbetrieben ein ganzes Netzwerk an Lieferanten zur Verfügung. Auf diese Weise können Unternehmen Redundanzen bilden und ins Multiple-Sourcing übergehen.

Neben diesem externen Versorgungsnetzwerk ist aber auch die interne Vernetzung entscheidend, sprich der standortübergreifende Austausch von Bestands- und Lieferdaten. Denn haben Unternehmen eine Übersicht über die Bestände an allen Standorten, können sie Waren intern verschieben und so kurzfristig und ohne großen Aufwand auf Schwankungen reagieren.

Das systematische Lieferantenmanagement und die Flexibilisierung der Netzwerke gewährleisten Unternehmen ein hohes Maß an Stabilität – das wiederum die Basis jeglicher Produktionssicherheit ist. „Wenn Unternehmen diese Stabilität sicherstellen können, sind Kunden sogar bereit, einen höheren Preis zu zahlen“, meint Michal Říha. Bestellen Kunden einen Artikel zum Beispiel online und erhalten eine Auswahl verschiedener Hersteller, würden sie sich in der Regel für das teurere Produkt entscheiden, das ihnen aber schneller geliefert wird.

In der Pandemie wurden die Lieferketten durch verhängte Lockdowns massiv gestört. Das führte zu Versorgungsengpässen, Produktionsausfällen und Umsatzeinbrüchen. Verfügen Unternehmen aber über ein Lieferantenmanagement, können sie mögliche Risiken und Störfälle vorab identifizieren und ihnen entgegenwirken. Frühwarnsysteme, Cockpits und Monitorings sind hier unterstützende Mittel. Daneben ist die flexible Ausgestaltung der externen und internen Netzwerke entscheidend, um auf Schwankungen schnell reagieren zu können.

Julia Kowal ist Journalistin für Wordfinder.

Protema

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