Interview mit Matthias Breitenstein, BE-terna, Teil 1„Passgenaue Branchenlösungen in einem Headless Commerce-Ansatz spielen ihre Vorteile aus“

14. August 2025

Omnichannel – so lautet die Erfolgsformel für viele Unternehmen. Dieser Ansatz ist auch im Bereich des Großhandels angekommen. Früher bestand der klassische Vertriebsweg im Vertreterwesen, doch findet sich heute kaum mehr ein Großhändler, der nicht auch ein Call Center, einen B2B-Webshop oder einen Werksverkauf betreibt, um die Margen zu optimieren, Ware möglichst bequem und flexibel an die Zielgruppe zu bringen oder direkten Zugriff auf wertvolle Informationen zu Endkunden zu erhalten. Vor diesem Hintergrund hat Line-of.biz (LoB) mit Matthias Breitenstein, Industry Lead bei BE-terna, aktuelle Lösungsansätze diskutiert.

LoB: Das Fundament für sämtliche Retail-Abläufe deckt Microsoft Dynamics 365 ab, aber was ist dazu noch alles sinnvoll?
Breitenstein: Für Unternehmen, die sich in einer Größenordnung zwischen ca. 100 und 700 Millionen Euro Umsatz bewegen, bietet Microsoft Dynamics 365 Finance & Operations tatsächlich eine überaus solide Basis in allen relevanten Bereichen. Sie erhalten auf diese Weise etwa eine Logistik, eine Beschaffung oder ein Vertriebssystem. Damit lassen sich die verschiedenen Randkanäle des Großhandels, wie Fabrikverkäufe oder zunehmend auch eigene Webshops oder Retail-Geschäfte, sehr gut abdecken.

BE terna MatthiasBreitenstein
Im Interview: Matthias Breitenstein, Industry Lead bei BE-terna; Quelle: BE-terna

LoB: Reicht das aus?
Breitenstein: Ab einer bestimmten Unternehmensgröße kann es darauf aufbauend sinnvoll sein, zum Beispiel ein externes Logistiksystem zu ergänzen. In Fällen, in denen Ware große Wege zurücklegen muss, ist es wichtig, zu jedem Zeitpunkt nachverfolgen zu können, wo sich die Ware auf dem Seeweg, zum Beispiel von Asien nach Europa, gerade befindet. Hier ist die Anbindung an spezialisierte Supply-Chain-Management-Tools hilfreich. Solche zusätzlichen Systeme lassen sich jedoch in den meisten Fällen einfach über Schnittstellen anbinden.

LoB: Passt das dann für sämtliche Branchen?
Breitenstein: Ein wenig komplexer kann sich der Prozess für branchenspezifische Funktionen gestalten. Wir bei BE-terna etwa bieten passgenaue Branchenlösungen, die auf Microsoft Dynamics aufsetzen und diese um spezifische Zusätze für verschiedenste Branchen erweitern. Gleichzeitig können unsere Teams helfen, darüberhinausgehende individuelle Anforderungen passgenau umzusetzen.

LoB: Gibt es – beispielsweise je nach Untergliederung der Modebranche – verschiedene Erweiterungsmodule?
Breitenstein: Im Kontext von Low-Price bewegen wir uns sehr schnell im Bereich Massenware. Hier ist die Marge pro Artikel geringer; die Masse macht das Geschäft. Die Herausforderung besteht darin, mit minimalen manuellen Arbeitsgängen möglichst viel Ware zu bewegen. Ein hoher Automatisierungsgrad ist dafür unerlässlich, und Prozesse wie Umlagerungen oder Reduzierungen sollten dabei so einfach wie möglich gestaltet sein…

LoB: … und im höherpreisigen Segment?
Breitenstein: Hier ist die Prozessoptimierung nicht ganz so entscheidend. Natürlich profitiert jeder Bereich von möglichst hoher Effizienz. Entscheidender sind hier jedoch Thematiken wie Nachverfolgbarkeit. Je teurer ein einzelnes Stück ist, desto wichtiger ist es, jederzeit zu wissen, wo sich dieses gerade befindet, um sicher zu sein, dass es nicht verloren geht.

LoB: Wie lässt sich das unter einen Hut bekommen?
Breitenstein: Für beide Szenarien bietet der Headless-Commerce-Ansatz die richtigen Werkzeuge. Er sorgt etwa für die notwendige Transparenz, um die Produkte bei Nachfrageschüben schnell von einem Lager in ein anderes umleiten zu können. Das ist selbstverständlich nur dann sinnvoll, wenn der zusätzliche Transport im Verhältnis zum Wert der Ware steht.

LoB: Können Sie das anhand eines Beispiels erläutern?
Breitenstein: Schauen sie auf den Elektrogroßhandel: Bei einem teuren Handy für mehrere hundert Euro ist es auf jeden Fall gerechtfertigt, dieses bedarfsgerecht umzusteuern. Bei einem günstigen USB-Stick hingegen stünden die Transportkosten in keinem Verhältnis, sodass Transparenz an der Stelle nicht so entscheidend ist. Dafür kann mit dem Headless-Commerce-Ansatz das Preismanagement zentral sehr effizient gesteuert werden. Dies kann bei günstigeren Produkten die erzielbare Marge durch eine bessere Transparenz erhöhen.

LoB: Mithilfe modernster KI-Lösungen soll sich das Kaufverhalten künftig bestmöglich prognostizieren lassen. Was muss die KI denn generell können, woher kommen die Modelle und die Daten, mit denen der KI-Algorithmus trainiert wird?
Breitenstein: In der Regel kommen zu diesen Zwecken verschiedenste statistische Methoden und Rechenmodelle aus dem Bereich Machine Learning zum Einsatz, die darauf abzielen, Absätze möglichst realitätsnah vorherzusagen, etwa: „Dieser Artikel wird sich in den kommenden Wochen wahrscheinlich noch so oder so oft verkaufen“. Die konkreten Modelle werden jeweils spezifisch auf die Anforderungen des Kunden und auf das erforderliche Marktumfeld hin angepasst. Die genutzten Daten können aus verschiedensten Quellen stammen: Besonders relevant ist die bisherige Absatzhistorie. Aber auch externe Datenquellen wie Wetterdaten, Kalenderdaten oder saisonale und regionale Besonderheiten können hilfreich sein.

LoB: Wie müssen diese Daten aussehen?
Breitenstein: Entscheidend für die Qualität der Ergebnisse ist die Qualität der zur Verfügung gestellten Daten. Kommt im Unternehmen bislang schon ein relativ modernes System zum Einsatz, das konsequent zur Datenpflege genutzt wird, lassen sich die Daten in der Praxis meist recht gut verwenden. Wer hingegen noch mit Altlösungen arbeitet oder teils verteilte Systeme für verschiedene Standorte nutzt, muss oft mehr Aufwand investieren, einen konsistenten Datenfundus zu erhalten. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Daten für einen ausreichend großen Zeitraum vorliegen. Für eine Analyse auf Jahresbasis würde ich auf jeden Fall einen Datenfundus von mindestens drei bis vier Jahren empfehlen.

LoB: Wo bieten die KI-basierten Prognosen die besten Chancen?
Breitenstein: Besonders hilfreich sind KI-Prognosen auch für Markteinführungen neuer Produkte – also bei Fragen „Wie wird die Zielgruppe ein neues Produkt annehmen“? In solchen Kontexten können darüber hinaus KI-Funktionen, etwa eine Bilderkennung, zum Einsatz kommen: So lässt sich KI beispielsweise mit einem Bild des geplanten Produkts füttern, auf dessen Basis dann die zentralen Attribute des Artikels automatisiert ermittelt werden. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um Vergleichsprodukte zu identifizieren, die wiederum in die Prognose miteinfließen können.

Rainer Huttenloher

BE-terna

Lesen Sie auch