Interview: Cloud als Innovationsbeschleuniger „Es kommt auf die Integrationsstrategie an“

28. April 2015

Cloud Computing ist längst in den IT-Landschaften der Unternehmen in Deutschland angekommen. Die Technologie bietet enormes Potenzial, um auf aktuelle Herausforderungen schneller als bislang reagieren zu können. Ein Allheilmittel ist sie dennoch nicht. Thomas Dörr (TD), Head of Cloud Deutschland bei der Software AG und Steffen Lorenz (SL), Principal Consultant bei der Software AG, skizzieren gegenüber line-of.biz (LoB) erfolgreiche Integrationsstrategien, sinnvolle Anwendungsszenarien und die Zukunft der Cloud in deutschen Unternehmen.

I/P/SaaS in der BRD

Thomas Dörr, Head of Cloud Deutschland; Quelle: Software AG

LoB: Mit welchen Geschäftsbereichen müssen deutsche Unternehmen heute in die Cloud und welcher Modus (IaaS, SaaS, PaaS) eignet sich wofür?
TD: Unternehmen müssen anhand ihrer Anwendungen und Herausforderungen individuell entscheiden, welche Cloud-Lösung sich für sie eignet. Ein populärer Ansatz ist es, mit Anwendungen zu beginnen, in denen keine Differenzierung am Markt zu erwarten ist. Der nächste Schritt ist die Auslagerung kritischer Anwendungen mit hohem Differenzierungspotenzial. Amazon praktiziert dieses Prinzip sehr erfolgreich, indem der Online-Händler im Weihnachtsgeschäft zusätzliche Rechenzentrumskapazitäten temporär aus der Cloud bezieht. Diese Maßnahme ist ein Differenzierungsfaktor und steigert die Wettbewerbsfähigkeit. Welcher Modus gewählt wird ist zweitrangig.

LoB: Welche Herausforderungen beschäftigen Unternehmen in Deutschland aktuell und welche Cloud-Lösungen reagieren darauf? Können Sie einige Anwendungsszenarien aus verschiedenen Branchen skizzieren?
SL: Grundsätzlich stehen Unternehmen heute alle vor der Herausforderung, bei steigendem Kostendruck Prozesse zu optimieren und Kunden über vernetzte Vertriebskanäle anzusprechen. Daneben gibt es Anforderungen, die spezifisch für bestimmte Branchen sind, beispielsweise die Regulierung bei Banken und Versicherungen. Cloud ist hierfür keine Pauschallösung, sondern muss Bestandteil eines individuellen Ansatzes sein, der die Ziele des Unternehmens, die vorhandene IT und die jeweils verfügbaren fachlichen Cloud-Lösungen berücksichtigt.

LoB: Können Sie einige Anwendungsszenarien aus verschiedenen Branchen skizzieren?
SL: Denkbar ist zum Beispiel, dass Industriebetriebe die Auswertung von Maschinendaten, Händler die Analyse von Kundendaten und Banken die Risikobewertung auslagern.

LoB: Was sind die Bestandteile eines umfassenden Cloud-Konzepts?
TD: Ein umfassendes Cloud-Konzept enthält organisatorische und technische Komponenten. Die wichtigste organisatorische Komponente ist der Vertrag mit dem Cloud-Anbieter. Hier müssen Unternehmen definieren, wo ihre Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat Darüber hinaus müssen Service Level Agreements, Verfügbarkeiten und Antwortzeiten festgelegt werden. Die wichtigste technische Komponente ist eine Plattform, die die Cloud nahtlos in die eigene IT-Landschaft integriert und die sichere Nutzung der Cloud gewährleistet.

Integrationsprobleme

Steffen Lorenz, Principal Consultant; Quelle: Software AG,

LoB: Wie können Unternehmen verhindern, dass die zunehmende Verbreitung von Cloud-Anwendungen in einzelnen Fachabteilungen zu Integrationsproblemen führt?
SL: Diesem Problem wirken sie mit einer Integrationsstrategie entgegen, die auf einem sauberen Architekturkonzept aufsetzt. Hierfür empfiehlt sich eine zentrale Integrationsplattform, die Daten zwischen On-Premise- und Cloud-Anwendungen überträgt und selbst auch in der Cloud betrieben werden kann. Nur so kann gewährleistet werden, dass auch Daten zwischen verschiedenen Cloud-Plattformen übertragen werden können.

LoB: Die Geschwindigkeit bei der Entwicklung von Anwendungen wird für Unternehmen immer mehr zum Erfolgsfaktor. Wie kann Cloud-Computing dabei helfen?
SL: Die Ursprungsidee der Cloud lautet, schnell und mit geringen Investitionen neue Anwendungen bereitzustellen. Heute gibt es Entwicklungsplattformen, die Werkzeuge und Bausteine bereitstellen, sodass Unternehmen agil und kostengünstig Software entwickeln können, ohne eigene Infrastrukturen aufbauen zu müssen. Der Cloud-Ansatz wird also nicht nur für fertige Lösungen genutzt, sondern auch für die Softwareentwicklung im eigenen Unternehmen.

LoB: Welches Ausmaß wird die Verbreitung von Cloud-Computing in deutschen Unternehmen im Jahr 2020 haben – wird es denn 2020 noch Unternehmen geben, die kein Cloud-Computing nutzen?
TD: 2012 haben laut einer Bitkom-Umfrage 37 Prozent der Unternehmen Cloud-Anwendungen genutzt, 2013 waren es 40 Prozent. Setzt sich dieses Wachstum fort, sprechen wir 2020 von einer Cloud-Durchdringung von 80 bis 90 Prozent. Aber es wird immer Unternehmen geben, die die Cloud aus Datenschutzgründen nicht nutzen wollen oder können. (rhh)

Integrationstreiber 2015

Im Jahr 2015 erwarten die Spezialisten bei der Software AG einige Trends, die in Sachen Integrationstechnologie die Unternehmen beschäftigen. Dabei ist das Internet der Dinge (IoT) einer der wichtigsten Treiber für Investitionen. Speziell die Integrationstechnologie, die Dinge einbinden kann, wird führende Integrationsplattformen nach vorne bringen. Besonders ausgereifte Fähigkeiten sind in diesem Kontext das Streaming enormer Datenmengen in Echtzeit, Hochfrequenz-Updates sowie Integrationssoftware, die schon in Geräten, Datensammelstellen oder anderen zentralen Schaltstellen eingebaut ist.

Ein weiterer Treiber ist der Einsatz der Cloud, doch „Nur Cloud” war gestern: Fast 80 Prozent aller Integrationsprojekte werden Konnektivität sowohl für On-Premise-Szenarien als auch für die Cloud benötigen. Themen wie Sicherheit, Datenschutz und bestehende Anwendungen erfordern verstärkt hybride Integrationsmodelle. Dabei spielt das Thema „integration Platform as a Service”, iPaaS, keine große Rolle: Die Neutralität junger Integrationsdienstleister verliert durch die anhaltende Konsolidierung und Angleichung zwischen SaaS und Integration an Überzeugungskraft. (rhh)

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