Erfolgreich auf Online-Marktplätzen verkaufen„Amazon-Selling“ und der richtige Start ins Geschäft
24. November 2021Mächtig, umfangreich, kaum zu überblicken: große Online-Marktplätze wie Amazon bieten eine komplette Infrastruktur und auch die Instrumente, um die Verkäufe zu optimieren. Aber welche Optionen passen zur eigenen Strategie? Welche Voraussetzungen braucht es, worauf kommt es an? Hier folgen wichtige Tipps und Anregungen zur Orientierung im dynamischen Marktplatz-Umfeld.
Vom sprunghaften Wachstum des Online-Handels während der Pandemie profitierten vor allem die großen Marktplätze. So erreichte laut Online Monitor des HDE allein Amazon 2020 einen Anteil von 53 Prozent am Onlinehandelsumsatz in Deutschland. Angezogen von der Größe und den Auswahlmöglichkeiten, teils auch aus Bequemlichkeits-Gründen, beginnen viele potentielle Käufer ihre Customer Journey auf den Online-Marktplätzen.
Verkäufer finden hier nicht nur Traffic und hohe Reichweiten, sondern auch die komplette Infrastruktur für Verkauf und Logistik, Marketing und Planung – somit alle Voraussetzungen zur Optimierung des Geschäfts. Die Herausforderung besteht eher darin, die Möglichkeiten der Plattform richtig einzuschätzen, unterschiedliche Optionen zu bewerten und passend zur eigenen Strategie einzusetzen. Das ist aufgrund der zahlreichen „Stellschrauben“ und Wechselwirkungen nicht einfach zu überblicken. Beratungsunternehmen, die Bedingungen und auch Fallstricke auf den großen Marktplätzen gut kennen, sind bei Planung und strategischen Entscheidungen wertvoll.
Gut vorbereitet starten: Ressourcen, Expertise, Budget
Da Händler und Hersteller auf die bestehende Infrastruktur der Marktplätze aufsetzen können, ist auch ein schneller Einstieg möglich. Der Start sollte aber gut vorbereitet sein. Dazu gehören Formalien wie Handelsregisterauszüge oder Nachweise über Firmensitze innerhalb der EU, aber auch technische und organisatorische Voraussetzungen: Um etwa vorgegebene Service Levels bei der Auftragsbearbeitung und Lieferung einhalten zu können, sind Lager- und Produktverwaltungssysteme ebenso nötig wie die entsprechenden personellen Ressourcen.
Auf längere Sicht, gerade wenn künftig auch mehrere Marktplätze genutzt werden sollen und das Portfolio größer ist, lohnt sich der Einsatz einer Middleware zur zentralen Content-Pflege. In jedem Fall sollte der Produktpräsentation und der Gestaltung der Inhalte einige Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es gilt, die Balance zu finden zwischen schneller Auffindbarkeit und überzeugender Darstellung der spezifischen Produktvorteile.
Das erfordert Expertise im Content-Marketing wie auch in der Suchmaschinenoptimierung (SEO) auf Amazon.
Anbieter unterschätzen dabei häufig die Macht der Bilder und reizen die Möglichkeiten für Bild- und Videoinhalte auf ihren Produktseiten gar nicht aus. Amazon stellt aber nicht umsonst mehrere Platzhalter für Fotos zur Verfügung, denn im besten Fall überzeugt allein schon die bildliche Darstellung. Die Erfahrung zeigt: Auch bei hochwertigem Content und wirksamen SEO-Maßnahmen bleibt Advertising unverzichtbar. Das Budget dafür sollte also im Business Case einkalkuliert werden. Gute Vorbereitung und Ressourcenplanung sind erfolgskritisch, um im transparenten, von Algorithmen getriebenen Marktplatz-Universum zu bestehen, denn die Verkaufsaktivität wird von Beginn an gewertet.
Die passenden Optionen wählen
Neben den grundlegenden Anforderungen haben Anbieter auf Amazon aber auch Wahlmöglichkeiten: Fulfillment by Amazon (FBA) oder by Merchant (FBM)? Seller oder doch Vendor, sofern man dazu die Einladung von Amazon erhält? Solche Fragen gehören zu den am häufigsten gestellten. Zu Recht, denn Optimierung im Amazon-Selling bedeutet auch: Die für die Strategie des eigenen Unternehmens passenden Optionen zu nutzen. Das ist nicht ganz leicht, da es nicht nur Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen gilt, sondern auch Wechselwirkungen zu beachten sind.
- Der Prime Status ist ein Beispiel dafür – von Kunden wegen der schnellen und kostenfreien Lieferungen geschätzt und daher wichtig für die Kaufentscheidung. Die FBA-Option schließt auch die Teilnahme am Premium-Programm ein, der Versand läuft dem Fall über Amazon. Es gibt auch die Möglichkeit, als FBM Prime Services anzubieten (Prime by Seller), dafür muss sich der Anbieter aber extra qualifizieren. Zu den Zulassungsbedingungen gehört auch eine mindestens dreimonatige aktive Verkaufstätigkeit. Das heißt: Sogar wenn ein Händler das Fulfillment selbst leisten kann und will, kann es die bessere Lösung sein, für die ersten Monate zunächst die FBA-Option zu wählen, um vom Start weg das Prime-Badge zu haben und als Prime-Angebot angezeigt zu werden. Anschließend wäre ein Zwei-Schienen-Modell möglich. Dabei zeigt sich auch, ob die eigenen internen Prozesse bereits ausreichend dafür ausgelegt sind. Letztlich bleibt die Entscheidung, das hybride Fulfillment-Modell zu belassen oder aber komplett auf Eigenversand umzustellen.
- Markeninhaber sollten ihre Marken auch bei Amazon anmelden, denn daraus ergeben sich deutliche Wettbewerbsvorteile: Sie haben die Hoheit über den Produktcontent, weit weniger Preisdruck als die zahlreichen Third-Party-Händler und erhalten bei Bestellungen automatisch die Buy Box, sofern sie ihre Produkte exklusiv anbieten.
- Vendor, Seller oder Hybrid? – Sicher eine der meistdiskutierten Entscheidungen für Unternehmen, die zur Teilnahme am Vendor-Programm eingeladen wurden. Grundsätzlich wird Vendoren das Handling erleichtert, da Amazon deren Produkte aufkauft und selbstständig weiterverkauft. Allerdings verlieren die Anbieter in diesem Zug auch die Preishoheit und den Zugriff auf die Kundendaten. Außerdem sind die genauen Konditionen jeweils im Vorfeld individuell auszuhandeln, was Zeit bindet und beispielsweise verhindert, dass die Preise bei hohen Verkaufsmengen neu verhandelt werden. Welche Lösung die beste ist, hängt immer vom Einzelfall ab. So kann etwa bei geringem Preisdruck die Vendor-Strategie optimal sein. Sobald aber mehrere Händler versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten, wird es kritisch. In der Regel würde Amazon dann auf verbesserte Konditionen wie eine Erhöhung der Werbekostenzuschüsse drängen oder anderenfalls nicht mehr bestellen, sollten die Margen für Amazon zu gering ausfallen. Eine Hybridlösung dagegen vereint Vorteile beider Modelle. Neue Produkte können dann auch parallel über die Seller-Schiene gelauncht werden. Denn bei Vendoren ist die Bestandsplanung durch Algorithmen gesteuert, die auf der Verkaufshistorie basieren. Neuprodukte, die mit hohem Werbedruck eingeführt werden, wären dann aufgrund der niedrigen Bestellmengen sehr schnell ausverkauft. Als Seller kann der Anbieter dagegen die nötigen Bestände einplanen und somit die Lieferfähigkeit sicherstellen.
Wachsen mit Amazon: Internationalisierung
Der Verkauf über den Marktplatz, speziell unter Nutzung der FBA-Option, bietet die Chance, schnell und mit vergleichsweise wenig Aufwand neue Märkte zu erschließen, um so auch international zu wachsen. Unternehmen in Deutschland steht dabei aber oft ein gewisser Hang zum Perfektionismus im Weg. Mit zu detaillierter Planung werden Zeitvorteile verschenkt; dabei ist es im globalen Wettbewerb oft entscheidend, schneller auf dem Markt zu sein als die Mitbewerber.
Statt von Anfang an das gesamte Sortiment abzubilden, ist man schneller, wenn man die Produkte nach Benefit-Clustern strukturiert, optimiert und livestellt. So kann der Verkauf schneller gestartet und Cashflow generiert werden. Die neu gewonnenen Erfahrungen fließen in die Prozesse ein – Tempo und Dynamik legen zu.
Parallel kann zu jedem „Live-Produkt“ direkt mit Marketing und Advertising gestartet werden. Gibt es Farb- oder Größenvarianten oder spezifisches Zubehör zu einem Produkt, sollten diese dem Kunden gezeigt werden. Ein Tipp ist zum Beispiel, diese Produkte zu „vertwistern“. So gelangen Kunden rein organisch von Produkt A zu Produkt B. Später kann man diese Verlinkung wieder lösen.
Optimierung ist ein Kreislauf
Aber auch in bestehenden Märkten bewegen sich die Marktteilnehmer immer in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld. Amazon-Selling läuft nicht im Autopilot-Modus. Optimierung des Geschäfts auf Amazon ist als ein Prozess zu sehen. Um erfolgreich zu sein und zu bleiben, braucht es kontinuierliches Monitoring, die entsprechenden Anpassungen und erneute Überprüfungen – ein ständiger Zyklus.
Die gute Nachricht: Das ist machbar. Ein großer Vorteil der Digitalisierung im Online-Verkauf ist die schnelle Umsetzbarkeit von Korrekturen. Mit KPI, Marktübersichten, Brand Analytics bis hin zu Verkaufsprognosen für einzelne Artikel stehen dafür auch die nötigen Werkzeuge auf der Plattform zur Verfügung. Mit zunehmender Erfahrung werden Unternehmen immer sicherer und routinierter.
Die zweite gute Nachricht: Die Erfahrungen in der Verkaufsoptimierung auf Amazon erleichtern Unternehmen auch ihr Engagement auf weiteren Marktplätzen, denn die Grundbedingungen wie kontinuierliches Monitoring und zyklische Anpassungen gelten auch hier und zentral verwalteter Content über Middleware-Systeme lässt sich für die Multi-Plattform-Strategie nutzen.
René Steinbusch ist Geschäftsführer der Marktplatzkomplizen GmbH.