Darauf sollte ein IT-Unternehmen beim Verkauf achtenJuristische Fallstricke müssen einen nicht nervös machen

29. April 2015

Der deutsche IT-Markt steht vor einer Wende: Rund 7.000 mittelständische IT-Firmen hierzulande sind hauptsächlich in den 1990er Jahren entstanden, die einstigen Gründer, ebenfalls in die Jahre gekommen, sehen sich enormen Herausforderungen gegenüber. Einerseits haben sie oft ein Nachfolgeproblem, andererseits wachsen mit Einzug moderner Technologien und immer kürzerer Innovationszyklen die Anforderungen an die eigene IT- und Beratermannschaft. So ist ein Großteil dieser IT-KMU auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger, nach potentiellen Investoren oder Käufern.

Juristische Fallstricke

Ralf Heib ist Geschäftsführer der match.IT GmbH; Quelle: match.IT

Der Verkauf ihres IT-Unternehmens stellt viele der einstigen Gründer jedoch vor weitere Herausforderungen, ohne professionelle Partner sind hier Fehler quasi vorprogrammiert. Eine M&A-Transaktion (Mergers & Acquisitions) ist eine strategische Entscheidung mit weitreichenden Folgen: Ein geeigneter Partner soll gefunden werden, der für das zu verkaufende Unternehmen langfristig die beste Perspektive bietet.

Daneben spielt auch die rechtliche Dimension eine gewichtige Rolle: Juristische Frage-stellungen tauchen in fast allen Phasen einer M&A-Transaktion auf und bedürfen einer sorgfältigen Abwägung und Planung. Die Düsseldorfer match.IT unterstützt Gesellschafter von mittelständischen IT-Firmen bei ihrer Nachfolgeplanung bzw. dem Verkauf.

Tipp 1: Den Prozess auch juristisch sauber aufsetzen. Der Transaktionsprozess muss bereits im Vorfeld sorgfältig vorbereitet und frühzeitig eine juristische Expertise eingeholt werden. Ist ein interessanter Partner gefunden, sollte zunächst eine Geheimhaltungsvereinbarung (häufig auch NDA = Non Disclosure Agreement) getroffen werden. Das verhindert Gerüchte und stellt sicher, dass Informationen weder nach außen noch nach innen dringen.

Im darauffolgenden Verhandlungsprozess wird häufig ein indikatives Angebot abgegeben – dieses wird meist als Letter of Intent (LoI) bezeichnet – welches den derzeitigen Stand der Verhandlungen wiedergibt und auch die nächsten Schritte festlegt. Auch wenn der LoI in der Regel keine legale Bindung erzeugt, sollte diese Phase nicht unterschätzt werden: Aspekte, die in den LoI fließen, können später nicht mehr so leicht wegverhandelt werden. Insofern sollte das Unternehmen bereits hier juristische Unterstützung einholen, damit der LoI sorgfältig ausgearbeitet werden kann.

In der Regel folgt darauf die Risikoprüfung – auch Due Diligence (DD) genannt. In dieser Phase gilt es, etwaige Risiken zu identifizieren und diese in den Verhandlungsprozess miteinfließen zu lassen. Spätestens bei der Erstellung und Verhandlung des Kaufvertrages erreichen die juristischen Aspekte ihre höchste Relevanz. Hier bedarf es auf jeden Fall auf beiden Seiten einer Vertretung durch erfahrene Anwälte im Bereich von M&A-Transaktionen. Gegen Ende wird dann im Regelfall für die Unterschrift noch ein Notar eingebunden. Und selbst nach Abschluss des Vertrages sind häufig noch juristische Expertisen gefragt, wenn zum Bei-spiel der Kaufvertrag über mehrere Schritte abgewickelt wird, Optionen eine Rolle spielen oder ein erfolgsabhängiger Preisanteil vereinbart wurde.

Begriffsklärung

Dr. Peter Klein, Mitgeschäftsführer von match.IT; Quelle: match.IT

Tipp 2: Begriffe eindeutig klären. Die M&A-Welt ist vollgepackt mit schillernden, meist englischen Begriffen. Insbesondere, wenn bei einer Transaktion M&A-erfahrene Konzerne und Berater auf eher mittelständische Firmen treffen, kann es leicht zu Sprachverwirrungen kommen. Daher gilt: Nachfragen und Definieren ist immer besser als im Nachgang über Missverständnisse zu lamentieren.

Beispiele gefällig? Häufig wird die Klausel „Cash and debt free“ verwendet, wenn es um die Definition des Kaufpreises geht. Aber was bedeutet das genau? Hier kann es durchaus zu unterschiedlichen Interpretationen kommen. In der Regel bezieht sich der sogenannte „Cash and debt free“-Mechanismus auf den Barmittelbestand und die Finanzverbindlichkeiten zum Stichtag des Verkaufs und fließt in den Kaufpreis ein. Ganz ohne Barmittel wird die Gesellschaft allerdings kaum arbeiten können, d.h. es muss dringend darauf geachtet werden, dass das betriebsnotwendige Kapital in der Gesellschaft erhalten bleibt und genau dieser Punkt bietet häufig Raum für Missverständnisse.

Selbst auf den ersten Blick einfache Begriffe wie z.B. Gewinn sollten im Vorfeld genau definiert werden. Handelt es sich um das operative Ergebnis von Steuern und Zinsen, auch EBIT(earnings before interest and taxes) genannt? Oder ist das Ergebnis nach Bereinigung von Zinsen und Steuern gemeint? Hier lohnt es sich ganz klar nachzufragen und Missverständnis-se zu klären; Im Streitfall muss sich sonst ein völlig unbefangener Richter damit beschäftigen und herausfinden, was von den Parteien gewollt war!

Tipp 3: Rechtliche Risiken frühzeitig erkennen. In der IT-Beratungs- und Softwarewelt gibt es einige spezifische Risiken, die es zu ermitteln und bewerten gilt. So lohnt bei Beratungsunternehmen bspw. immer auch ein Blick auf die Freelancer, um sich in allen Punkten auf rechtlich sicherem Terrain zu bewegen. Denn stellt sich nach Abschluss des Kaufvertrages heraus, dass die Freelancer in Wahrheit als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind (Stichwort: „Scheinselbständigkeit“) kann der Schaden groß sein.

Und da es sich bei Beratungsunternehmen im Regelfall um sogenanntes „people business“ handelt, spielt auch die Wettbewerbsklausel eine gewichtige Rolle. Nicht alles ist durchsetzbar, aber eine intensive Auseinandersetzung mit möglichen Risikoszenarien ist für IT-Unternehmen unabdingbar. Weitere Risiken lassen sich häufig in den Bilanzen finden, etwa bei Pensionsrückstellungen, sonstigen weiteren Rückstellungen oder auch bei nicht abgeschlossenen Rechtsstreitigkeiten.

Tipp 4: Risiken offenlegen. Red-Flag DD versus „gekauft wie gesehen“. Für die Bewertung der Risiken und letztendlich auch die finale Verhandlung des Kaufvertrages spielt die „Legal Due Diligence“ (DD) eine wichtige Rolle. Hier zeigt sich schon, dass ein gutes juristisches Housekeeping seitens des Verkäufers häufig bereits ein entscheidender Vorteil für die Transaktion ist. In der juristischen Due Dilligence, also der angemessen sorgfältigen, rechtlichen Prüfung, schaut man sich alle rechtlich relevanten Dinge an, die den Kaufentscheid eines potentiellen Käufers beinträchtigen könnten.

Diese beginnt bei den gesellschaftsrechtlichen Dokumenten, beinhaltet die operativen Verträge der Gesellschaft mit Kunden und Lieferanten genauso wie die Überprüfung der gewerblichen Schutzrechte; es ist schon sehr ärgerlich, wenn der Käufer davon ausgeht, dass eine Marke rechtssicher eingetragen ist, aber z.B. Verlängerungsfristen einfach übersehen wurden. Nicht zu vergessen der Bereich des Arbeitsrechtes, wo sich der Käufer die Dienstverträge der Geschäftsleitung ebenso genau ansehen sollte, wie die Arbeitsverträge der Mitarbeiter. Hierunter fallen bspw. aber auch offene Rechtsstreitigkeiten und Mahnverfahren oder auch einfach nur die Miet- und Pachtverträge.

Häufiger Diskussionspunkt aus juristischer Perspektive ist dabei die Interpretation der prinzipiellen Rolle einer Due Dilligence. Die Klärung, ob eine umfängliche DD benötigt wird oder eine sogenannte Red-Flag DD ausreicht, ist sehr wichtig, weil häufig im Kaufvertrag umfangreiche Garantien definiert werden. Die Red flag DD ist quasi eine smarte, zustandsbezogene DD, die dem Käufer bei kleineren Kaufvolumen oftmals schon ausreicht. Ein Unternehmen ist jedoch kein Gebrauchtwagen, bei dem das Motto gilt „gekauft wie gesehen“ d.h. egal, in welchem Umfang eine Due Diligence durchgeführt wurde, sie dient immer nur dazu, die prinzipielle Kaufentscheidung zu beeinflussen.

Schutzrechte

Tipp 5: Ein Blick auf die gewerblichen Schutzrechte kann viel Ärger vermeiden. Bei IT-Unternehmen dominiert das immaterielle Vermögen. Demnach muss man genau hinschauen, inwiefern dieses geschützt werden kann. Nicht nur bei reinen Softwareunternehmen, sondern oft auch bei Beratungsunternehmen werden neben Services als Ergänzung zum Consulting Softwareprodukte mit ins Portfolio genommen.

Hier stellt sich dann die Frage: wem gehört das Produkt? Sind die Rechte geschützt? Gibt es Marken und Patente? Bei Softwarehäusern ist es wichtig, sich die Lizenz- und Pflegebedingungen genau anzusehen, denn sie beeinflussen den Wert der Software maßgeblich. Berüchtigt und gerne übersehen werden in diesem Zusammenhang auch häufig sogenannte Change of Control Klauseln, die es dem Kunden z.B. ermöglichen den Lizenz- und Pflegevertrag bei Eigentümerwechsel der Softwareherstellers zu kündigen. Ein zunehmend wichtiger Punkt ist auch die Verwendung von Open Source als Bestandteil von Softwarelösungen, was letzt-endlich das Management der Softwarerechte deutlich erschweren kann.

Tipp 6: Kaufvertrag auf Herz und Nieren prüfen. Der Kaufvertrag ist das Herzstück der Transaktion. In ihm fließen sowohl die kaufmännische Verhandlung als auch die Behandlung der juristischen Risiken zusammen. Ein wesentlicher Punkt, der insbesondere für IT-Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die Festlegung eines Earn-Out-Preises. Damit legt man gemeinsam einen Fahrplan für die Zukunft fest. Hier gilt es, wesentliche Aspekte richtig zu antizipieren. Juristisch steckt der Teufel sehr oft im Detail.

Wenn es z.B. beim Kaufpreis um Earn-Out Klauseln geht, müssen die Bedingungen und Fälligkeiten sehr präzise im Vertrag formuliert werden. in der Regel geht es dabei um die zukünftige Ertragslage (Zielerreichung) des gekauften Unternehmens, an der die Verkäufer noch partizipieren sollen; im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch Zurückhaltung des Käufers bei der Integration und Kostenumlage, weil genau dadurch die Zielerreichung konterkariert werden kann.

Tipp 7: Ruhe bewahren. Oft gewinnt man den Eindruck, dass eine M&A-Transaktion gerade im IT-Umfeld sehr stark von juristischen Aspekten dominiert wird, was auf den ersten Eindruck sicherlich auch stimmt. Allerdings gilt natürlich auch, dass letztendlich ein Abwägen von kaufmännischen Interessen und juristischen Risikobetrachtungen notwendig ist. Unweigerlich ist der Verkauf des eigenen IT-Unternehmens eine schwerwiegende und endgültige Entscheidung, die niemand auf die leichte Schulter nimmt. Eines sollte man sich jedoch immer vor Augen halten: Einen Deal ohne Risiko gibt es nicht, es sei denn, man verzichtet komplett darauf.

Trotzdem heißt es am Ende, Ruhe bewahren vor dem Sturm. Wer sich professionell – insbesondere auch von rechtlicher Seite – auf den Verkauf vorbereitet hat, der hat auch gar keinen Grund, nervös zu sein. Und letztendlich gilt: auch wenn alle wichtigen Punkte von der rechtlichen Risikobetrachtung bis zu den kaufmännischen Optionen professionell vorbereitet sind, so muss am Ende immer das Management beider Seiten zueinander kommen, um Lösungen und Kompromisse im Hinblick auf einen finalen Vertragsabschluss zu finden.

Die Geschäftsführer Ralf Heib und Dr. Peter Klein von match.it geben in diesem Beitrag wichtige Tipps aus ihrer langjährigen Consulting-Praxis.

Lesen Sie auch