Robotergesteuerte Prozessautomatisierung als WunderwaffeRPA – Top oder Flop?

13. März 2020

Der Markt für robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) hat sich durch die Ankündigung von Microsoft, RPA-Funktionen unter dem Namen “Power Automate” in sein Portfolio aufzunehmen, aufgeheizt. Power Automate enthält API-Konnektoren, die den Einsatz von Robotern zur Automatisierung von Aufgaben innerhalb des Microsoft-Ökosystems erleichtern. Doch trotz aller Unterstützung: RPA-Projekte können schnell entgleisen und manchmal auch scheitern.

Wer bislang bereits RPA-Projekte angegangen ist, hat unter Umständen festgestellt: Es gibt einige Gründe, die dazu führen, dass RPA nicht wie geplant funktioniert. Im schlimmsten Fall können derartige Vorhaben auch gänzlich scheitern. Denn es existieren einige Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt:

  • Digitale Mitarbeiter sind wählerisch: Sie sind darauf ausgerichtet, mit sich regelmäßig wiederholenden, strukturierten Daten zu arbeiten. Laut dem Forschungsunternehmen Cognilytica sind jedoch 90 Prozent der Unternehmensinhalte unstrukturiert. Die fehlenden Skills bei digitalen Mitarbeitern führen dazu, dass eine Menge entscheidender Geschäftsdokumente außer Acht gelassen werden, so z. B. Rechnungen, Onboarding-Formulare für Kunden und Patienten, Kreditanträge, Frachtbriefe oder Antragsformulare.
  • RPA ist nicht gleich künstliche Intelligenz (KI): KI-Technologien sind das neue Must-Have und RPA wird deshalb oft gerne mit KI in einen Topf geworfen, dabei fehlt dem Roboter an sich jegliche Intelligenz. RPA kann als Katalysator für intelligente Automatisierung betrachtet werden, ist aber in hohem Maße von digitalisierten Inhalten abhängig. Ob es sich um die Digitalisierung von Papier oder die Umwandlung von E-Mails, Faxen, EDI und PDFs handelt – digitale Mitarbeiter müssen kognitive Fähigkeiten besitzen, um auf Inhalte aus diesen Dokumenten zugreifen zu können.
  • Geschäftsprozesse sind nicht genau definiert: Eine der großen Herausforderungen bei RPA-Initiativen besteht darin, dass man nicht immer ein vollständiges Bild der Prozesse hat und weiß, ob der Prozess überhaupt dafür geeignet ist, automatisiert zu werden. Folgende Faktoren müssen unbedingt berücksichtig werden: man muss wissen, wo genau man RPA einsetzen kann und sollte die Vorteile und Risiken kennen, die vor, während und nach der Implementierung zu erwarten sind.

Diese Herausforderungen sind der Grund dafür, dass 30 bis 50 Prozent der RPA-Projekte scheitern, Summen in Millionenhöhe verschwendet werden und, was noch schlimmer ist, Wachstumschancen für Unternehmen ins Stocken geraten. Das Lösen dieser Herausforderungen hat eine neue Art KI-fähiger Technologien entstehen lassen und die Herangehensweise wie die digitalen Mitarbeiter eingesetzt werden und wo innerhalb von Geschäftsprozessen sie eingesetzt werden, hat sich deutlich verändert. Folgende Tipps helfen dabei sicherzustellen, dass digitale Mitarbeiter optimal arbeiten:

  • Digitale Mitarbeiter mit inhaltlicher Intelligenz ausstatten: IDC definiert Content Intelligence als eine Reihe von Technologien und Diensten, die KI dafür nutzen, um folgende Aufgaben zu bewältigen: das Lesen und Klassifizieren von Dokumenten, das Weiterleiten eines Dokuments, das Extrahieren und Validieren von Daten aus Dokumenten und weitere kognitive Aufgaben zum Verständnis und zur Verarbeitung unstrukturierter Inhalte, die eine schnellere und genauere Entscheidungsfindung ermöglichen. Zu den Content-Intelligence-Technologien gehören OCR, Computer Vision, maschinelles Lernen, Natural Language Processing und Content Analytics. In einer kürzlich von IDC durchgeführten Umfrage haben Unternehmen, die Content-Intelligence-Lösungen einsetzen, eine 40-prozentige Steigerung der Mitarbeiterproduktivität oder eine höhere Kundenzufriedenheit festgestellt und konnten Ressourcen für anspruchsvollere Aufgaben einsetzen.
  • Gewinnen Sie ein besseres Verständnis über Ihre Prozesse, bevor Sie RPA einsetzen: Das Hauptziel von RPA ist die Automatisierung von Prozessen, was bedeutet, dass die Anwender diese verstehen müssen. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Prozesse sind in der Regel ziemlich komplex, das heißt, es ist schwierig, eine detaillierte Erklärung von dem zu erhalten, was wirklich in einem Prozess vor sich geht. Process Intelligence nutzt Process Mining, Analyse-Tools und Echtzeit-Überwachungs- und Prognosefähigkeiten mithilfe von KI, um Geschäftsanwendern eine hundertprozentige Prozesstransparenz zu ermöglichen.
  • Sie sehen den „Ist-Zustand“ und haben die Möglichkeit, in die granularen Details der Prozesse einzutauchen: Process Intelligence kann aufzeigen, wo digitale Mitarbeiter am besten eingesetzt werden können, welche Einsparungen zu erwarten sind, warum Prozesse nicht funktionieren und wie Probleme in Prozessen behoben werden können, indem sie die Daten, die bereits vorliegen in ihrer Vollständigkeit darstellen. Dieser Scan bietet Ihnen sachliche Analysen zur Lösung von Problemen, von denen Sie nicht einmal wussten, dass Sie sie haben, und beendet das Ratespiel rund um die Fragen, wo Sie RPA einsetzen sollen und wie effektiv der Einsatz sein wird.
  • Befähigen Sie „Citizen Developers“: IDC schätzt, dass zunehmend mehr Mitarbeiter Seite an Seite mit Robotern arbeiten werden, da durch neue Technologien viele Arbeitsaktivitäten automatisiert werden. Diese Zukunft der Arbeit bedeutet, dass sich der Einsatz und die Überwachung von RPA- und KI-Technologien von der IT zu den Centers of Excellence und weiter zum Geschäftsanwender, auch “Citizen Developer” bezeichnet, verlagern wird, der sich zunehmend digitale Fähigkeiten aneignen muss, um seine Aufgaben zu erfüllen. Glücklicherweise werden die Content Intelligence-Fähigkeiten immer einfacher, um intelligente Automatisierungsplattformen mit menschenähnlichen kognitiven Fähigkeiten auszustatten. Ähnlich wie beim Einsatz von RPA sind Content Intelligence-Fähigkeiten über Integrations-REST-APIs verfügbar sowie über die großen RPA-Anbieter oder auch über VARs und ISVs.

Auch wenn es eine Weile gedauert hat, bis Microsoft in den RPA-Markt eingetreten ist, hat die Vergangenheit gezeigt, dass man nicht unterschätzen darf, wie schnell man eine marktführende Position einnehmen kann. Mit Sicherheit ergänzen Microsofts neue RPA-Funktionen die vorhandenen API-Konnektoren und es wird schnell klar werden, wie wichtig die Einbeziehung von Content Intelligence-Fähigkeiten und Process Intelligence für eine erfolgreiche RPA-Umsetzung ist.

Markus Pichler ist Vice President of Sales Europe bei ABBYY.

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