Im Fokus: mobiles Arbeiten ohne feste BüroumgebungFünf Anforderungen für das „Working from Anywhere“

11. September 2020

Work from Anywhere“ oder „New Work‘ sind Konzepte, die auf mobiles Arbeiten ohne feste Büroumgebung setzen. Solche Ansätze heben die Grundfesten der klassischen Arbeitswelt mit fixem Schreibtisch für jeden Mitarbeiter und festen Arbeitszeiten aus den Angeln. Sie gehen nicht nur mit einer technologischen Neuorientierung einher, sondern müssen von einem Wandel der Organisationsstruktur begleitet werden. Dieser Leitfaden soll Unternehmen als Richtlinie dabei helfen, sich auf die Neuerungen des virtuellen Arbeitens einzustellen.

Entscheidend für das produktive Arbeiten unabhängig vom Büroschreibtisch ist die technische Ausstattung und sichere Anbindung an die Anwendungen und Daten, die jeder Mitarbeiter für seine Aufgaben benötigt. Da beim flexiblen Arbeiten unterschiedliche Geräte zum Einsatz kommen, wie firmeneigene Laptops oder Smartphones, BYOD-Geräte oder aufbauend auf Unternehmensrichtlinien vom Mitarbeiter selbst angeschaffte Geräte, kommt der Sicherheitsinfrastruktur besondere Bedeutung zu.

Ein Zero Trust Modell, das den Zugang zu Applikationen und Daten aufbauend auf der Identität des einzelnen Anwenders und seiner Zugriffsberechtigung regelt, garantiert Sicherheit, wenn das Unternehmen nicht mehr die Hoheit über die mobilen Geräte hat.

Für die Produktivität ist darüber hinaus der performante Zugriff auf die Cloud oder das firmeneigene Rechenzentrum aus der Ferne entscheidend. Kein Mitarbeiter wartet gerne, bis sich der Fernzugriff aufbaut oder eine Präsentation geöffnet wird und auch für Online-Konferenzen zählt die Bandbreite für störungsfreien Empfang. Direkte Anbindung an das Internet und Sicherheit aus der Cloud sorgen für Performanz und Schutz gleichzeitig und stellen die Mitarbeiterzufriedenheit sicher.

Idealerweise merkt der Mitarbeiter beim Remote Zugriff keinen Unterschied, wo die Anwendungen vorgehalten werden. Schließlich bleibt nur noch zu klären, wer für die Internet-Anbindung oder Home Office-Büroausstattung des Mitarbeiters verantwortlich ist. Die Förderung von Home Office-Infrastruktur via Leasing durch den Arbeitgeber könnte durchaus eine Option werden. Und von rechtlicher Seite müssen Unternehmen überprüfen, ob die GDPR-Konformität für die Datenverarbeitung auch für mobile Mitarbeiter am heimischen Schreibtisch besteht.

Virtuelle Teamarbeit

Die IT-Abteilung ist allerdings nicht nur für die technische Grundausstattung verantwortlich, sondern muss auch in die Auswahl der Tools für die Zusammenarbeit einbezogen werden, um Wildwuchs zu vermeiden. Ein Ausweichen auf illegitime Collaboration-Tools muss untersagt und die Einhaltung von Firmenrichtlinien hin und wieder überprüft werden. Chat-Programme, Webkonferenz-Lösung und Kollaborationsplattformen bieten vielschichtige Möglichkeiten des schnellen und effektiven Austausches.

Die Corona-Krise zeigte, dass Unternehmen, die in ihrer Digitalisierung weit fortgeschritten sind, keine größeren Probleme damit hatten, ihre Mitarbeiter ins Home Office zu verlagern. Cloud-basierte Software, wie Office 365, MS Teams, Zoom, Slack oder Skype bilden die grundlegende Infrastruktur für die Produktivität und Interaktivität der Mitarbeiter. Neben der Bereitstellung dieser Technologien spielt außerdem die Bereitschaft der Mitarbeiter eine wichtige Rolle, die neuen Möglichkeiten auch anzunehmen.

Anstelle der Face-to-Face Kommunikation kommen Social Skills eine größere Bedeutung zu. Als Ersatz für das tägliche Miteinander im Büro muss der Austausch auf die virtuelle Welt übertragen werden, wobei es ein paar Regeln zu beachten gilt. Wenn man sein Gegenüber nicht persönlich sieht, ist die richtige Kommunikation via E-Mail, Chat oder Telefon elementar wichtig für ein gutes Miteinander und reibungslose Team-Arbeit.

Nuancen in der „Nettiquette“ können für Verständnis, Verärgerung oder Missverständnis sorgen, wenn der Kollege aus seinem Arbeitsfluss gerissen wird. Der Empathie kommt eine zentrale Bedeutung zu, ebenso wie der offenen Kommunikation, damit hier potenzielle Unruheherde gar nicht erst aufkommen. Bei der Vielzahl an virtuellen Meetings ist es außerdem wichtig, kurz und prägnant zu kommunizieren. Denn alle Mitarbeiter müssen mit ihrem täglichen Zeitkontingent sorgsam umzugehen und Prioritäten setzen.

Führungsformen für agile Teams

Zuallererst müssen sich Führungskräfte umstellen, die an das Präsenzteam-Management gewohnt waren, wenn sie ihre Mitarbeiter nur noch größtenteils virtuell treffen. Die Rolle eines SCRUM-Masters kann hier als Vorbild dienen. Es gilt, Mitarbeiter zu befähigen, die gesteckten Ziele durch einen definierten Arbeitsprozess zu erreichen.

Der Angestellte erhält Vorgaben in Form des gewünschten Outputs und einer Deadline; allerdings steht ihm offen, wann und wie er die Arbeit erledigt. Vor-Ort Präsenz ist für agile Teamführung tatsächlich nicht mehr entscheidend, denn der Fokus sollte auf der Zielerreichung liegen.

Virtuelle Teams benötigen allerdings ebenso Strukturen, wie wenn man mit dem gesamten Team vor Ort sitzt. Es spielt keine Rolle mehr beim Working from Anywhere, ob man sich regelmäßig persönlich oder virtuell trifft, aber die Kontinuität ist von Bedeutung. Führungskräfte müssen gegebenenfalls häufiger und gezielter kommunizieren, um alle Mitarbeiter zu erreichen und anzuleiten, wenn der persönliche tägliche Kontakt nicht gegeben ist.

Es gilt, Distanzen zu überwinden und sich gleichzeitig von der Kontrollfunktion zu lösen. Vertrauen muss gelebt werden, was nicht heißt, dass es auch eingefordert werden darf. Für Personalabteilungen heißt das, sie müssen bei der Vorbereitung von Mitarbeitergesprächen noch enger mit der jeweiligen Führungskraft zusammenarbeiten.

Produktivitäts-Messung

Darüber hinaus müssen Führungskräfte die Maßstäbe für die Leistung der Mitarbeiter neu definieren. Mitarbeiter sind nun nicht mehr acht Stunden am Tag im Büro und können dementsprechend nicht mehr an der reinen Anwesenheit gemessen werden – zumal die Arbeitszeit im Home Office eher zu- als abnimmt.

Die Leistung von Mitarbeitern wird sich an der Erfüllung von Aufgaben oder dem Projektstand messen lassen müssen. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass individuelle Leistungen gegenüber dem ganzen Team verschwimmen. Das agile Arbeiten bietet daher Chancen und Risiken für jeden Einzelnen, vor allem aber für die gesamtverantwortlichen Führungskräfte.

Eine weitere Möglichkeit, um den Mitarbeitern mehr Freiraum zu bieten, sind flexible Arbeitsplatzmodelle. Bei der Messung der Effektivität bringen sie aber Nachteile mit sich. Letztlich ist gerade in einem globalen Arbeitsumfeld die Länge des Arbeitstags nicht mehr durch eine vorgegebene Arbeitszeit von ‚nine to five‘ definiert, sondern durch das letzte Online-Meeting. Doch auch eine ‚always-on‘-Generation sollte auf die nötigen Auszeiten achten und Wochenenden oder Urlaub als Auszeit akzeptieren. Wenn Mitarbeiter jederzeit erreichbar erscheinen und Nachrichten kontrollieren, entsteht schnell eine Erwartungshaltung der Verfügbarkeit, in der Führungskräfte für sich und ihre Mitarbeiter klare Grenzen setzen müssen.

Recruiting für das „Working from Anywhere“

Auch die Rekrutierung neuer Mitarbeiter wird in Zeiten des agilen Arbeitens neu definiert werden müssen. Spielt der Arbeitsort keine entscheidende Rolle mehr, vereinfacht sich das Recruiting unter Umständen. Theoretisch können Mitarbeiter aus der ganzen Welt potenzielle Kandidaten für einen neuen Job sein, ohne ihren Wohnsitz verändern zu müssen.

Allerdings kann es dadurch für Unternehmen noch schwieriger und aufwändiger werden, die richtigen Mitarbeiter für die zu besetzende Position zu finden. Denn digitale geführte Einstellungsprozesse dauern in der Regel länger als ein persönliches Gespräch vor Ort, weil alle Verantwortlichen sich für den Kandidaten viel Zeit nehmen müssen, um sich einen persönlichen Eindruck via Online-Konferenz zu verschaffen. Um einen solchen Prozess im Rahmen zu halten wird es umso wichtiger, vorab die Anforderungen möglichst detailliert zu definieren, um der Personalabteilung den Rekrutierungsprozess zu erleichtert.

„Work from Anywhere“ bietet für Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen. Wichtig sind die Grundvoraussetzungen abzudecken, um das Arbeiten von überall technisch und organisatorisch zu ermöglichen und IT-Risiken auszuschließen. Das Marktforschungsunternehmen Gartner stellt in seinem SASE-Rahmenwerk mit dem Secure Access Service Edge ein Konzept vor, das das ‚Edge‘ des Netzwerks zum einzelnen Mitarbeiter hin verschiebt und damit die Voraussetzungen für ein sicheres und agiles Arbeiten von überall aus definiert.

Ein solches IT-Konzept bildet die technische Grundlage, aber neben den IT-Entscheidungsträgern ist zur Umsetzung des agilen Arbeitens ein Zusammenspiel von weiteren Abteilungen gefragt. Personal- und Rechtsabteilung sind ebenso gefordert, wie die Neujustierung von Arbeitsprozessen. Gelingt eine Abstimmung zur Neudefinition des mobilen Arbeitsalltags, profitieren Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen.

Kevin Schwarz ist Director Transformation Strategy bei Zscaler EMEA.

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