Intelligente Warenwirtschaft: Digitale Auftragsverarbeitung schafft VorteileFünf Stellschrauben entscheiden
14. Januar 2022Trotz fortschreitender Digitalisierung kommen in vielen Unternehmen immer noch Excel-Tabellen zum Einsatz, um die Auftragsverarbeitung zu dokumentieren. Vor allem bei kleinen Margen steht der Arbeitsaufwand dann in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag, denn diese Vorgehensweise ist genauso umständlich wie zeitraubend.
Mit einer intelligenten Warenwirtschaft, die digitalisiert und automatisiert ist, kann dagegen die gesamte Prozesskette von Lieferavis, Fakturierung, Auslieferung und Überwachung der offenen Posten unterstützt und effizienter gestaltet werden. Hierzu können Unternehmen an fünf Stellschrauben drehen.
Produzieren Unternehmen Produkte selbst oder stellen sie zusammen, stimmen End- und Einkaufsprodukte nicht überein. Es ist dann Aufgabe der Disposition sicherzustellen, dass alle benötigten Teile der Stücklisten zur Verfügung stehen. Das aber fällt gerade kleineren Unternehmen oftmals schwer. Händler kämpfen wiederum mit dem Problem, dass sie ihre Liefereingänge überwachen und mit den Wiederbeschaffungszeiten in Verhältnis setzen müssen. Zudem müssen sie diese stets mit dem Lager abgleichen, um nicht etwa den Mindestbestand zu unterschreiten.
Um die Effizienz der Disposition und der Auslieferungsprozesse zu steigern, können sowohl Fertigungsbetriebe als auch Händler auf ein digitales und automatisiertes Warenwirtschaftssystem setzen und die folgenden fünf Prozessschritte verändern.
Aufträge nach Priorität bearbeiten
Unterstützt die Warenwirtschaftssoftware die Erstellung von Liefervorschlägen, kann für Aufträge, die bereits im ERP-System eingelastet sind, eine deutliche Effizienzsteigerung verzeichnet werden. Die Möglichkeit zur Priorisierung ist vor allem dann wichtig, wenn nicht alle Kunden in der gewünschten Zeit beliefert werden können – zum Beispiel aufgrund von Materialknappheit. Nach welchen Regeln priorisiert werden soll, legt der Anwender selbst fest. Das System macht dann einen Vorschlag für die Verteilung der Lieferungen, manuelle Änderungen können aber noch vorgenommen werden, bevor die Lieferscheine erzeugt werden. Lagerbestände und Reservierungen werden entsprechend aktualisiert.
Die Lieferungen werden dann nicht mehr zwingend nach Bestelleingang abgearbeitet, sprich: Es wird nicht der Kunde zuerst beliefert, der als Erster bestellt hat. Sinnvoller kann zum Beispiel sein, zunächst Aufträge ohne Teillieferungsmöglichkeit zu bevorzugen, um Aufträge mit hohen Summen abzuwickeln. Hält ein Lieferengpass aber länger an und führt zu Rückständen bei vielen Kunden, wird man möglicherweise Kleinmengen zuerst verteilen wollen, um die Anzahl der Kunden mit Lieferrückständen zu reduzieren. Das entlastet den Vertrieb, weil weniger Rückfragen zu Lieferterminen eingehen. Diese manuelle Priorisierung erfolgt in kleinen Unternehmen oft noch mit Excel, was aufwändig und umständlich ist.
Kommissionierung mit MDE-Gerät
Für Aufträge, die just in time zur Auslieferung kommen und am Lager kommissioniert werden bevor eine digitale Erfassung stattgefunden hat, ist der Einsatz von MDE-Geräten zur mobilen Datenerfassung eine große Hilfe, um die Effizienz zu steigern und gleichzeitig Fehler zu vermeiden.
Gerade im Großhandel, der unter anderem Elektro- oder Sanitärhandwerk beliefert, spielt das Thekengeschäft eine zentrale Rolle. Bei Reparaturen holt der Handwerker die benötigten bevorrateten Teile ab, ein Mitarbeiter kommissioniert sie. Anhand des Kundenauftrages können alle lieferbaren Positionen mit einem MDE-Gerät am Lager via Barcode – auf der Artikelverpackung oder bei Bulkwaren bzw. Schüttgut am Lagerplatz oder den Lagerfächern – gescannt und unter Eingabe der jeweiligen Liefermenge über die nummerische Tastatur des Geräts erfasst werden.
Danach werden alle Positionen und ihre Menge per Schnittstelle direkt in den Kundenlieferschein eingesetzt. Wenn keine Lieferrückstände bestehen, ist der Prozess abgeschlossen. Bei Lieferrückständen können die betroffenen Positionen in einem Rückstandsauftrag erfasst werden, der in der Einkaufsabteilung bei der Disposition umgehend bei Bestellvorschlägen berücksichtigt wird.
Gleichzeitig wird die Lagermenge korrigiert und eine Reservierung kann aufgelöst werden. Wird bei Artikeln der Mindestbestand unterschritten, wird der Einkauf ebenfalls benachrichtigt. Auch bei zeitgleichen Bestellvorschlägen wird der Lagerbestand berücksichtigt bzw. angepasst.
Ohne Scanner muss jedes Teil händisch notiert oder im Anschluss zur Abholung recherchiert werden. Dabei ist die Identifizierung der Artikel nicht so einfach, da oft Hunderttausende vorrätig sind und die Terminologie auch nicht immer ohne Weiteres klar ist.
Automatisierung von Frachtaufträgen
Optimal ist die Funktion, aus erstellten Lieferscheinen Frachtaufträge zu erzeugen: Diese können dann auf individuelle Speditionsformulare (z.B. Dachser oder Schenker) eingerichtet und aus der Software bedruckt werden. Bei kleinen Lieferungen bietet es sich an, sie via Polling-Schnittstelle an die Software von gängigen Paketdiensten wie DHL Easylog, DPD DELIsprint, UPS Worldship oder GLS zu überstellen: Sie werden dann in der für jeden Dienst passenden Form mit allen relevanten Daten zu Empfänger und Sendung wie Adresse, Gewicht oder Stückzahl als eigene Datei gespeichert.
Die Paketprogramme scannen den Speicher und verarbeiten die Daten weiter: Sie werden importiert, der Empfänger angelegt und die Lieferung eingetragen. Aus dem Paketdienstprogramm erfolgt dann die Benachrichtigung des Adressaten und über die jeweilige Paketdienstsoftware kann die Lieferung avisiert und getrackt werden.
Ohne Schnittstellenfunktion erfolgt hier ein Medienbruch: Dann müssen die Daten zu Sendung und Empfänger manuell für den Paketdienst abgetippt werden. Eine Übergabe via Schnittstelle spart Zeit und macht keine Fehler.
Automatisierung von Sammelrechnungen
Nach dem Lieferprozess wird die Ware berechnet und in der Regel aus dem Lieferschein automatisch die Rechnung erstellt. Anders ist das bei Sammelrechnungen: Hier müssen oft die passenden Lieferscheine in manueller Arbeit zusammengestellt werden. Das kann von einem Tool als automatisierter Rechnungsvorschlag übernommen werden und ist sinnvoll, wenn Kunden regelmäßig beliefert werden, aber pro Woche oder pro Monat nur eine Sammelrechnung erhalten, auf der alle noch nicht fakturierten Lieferungen automatisch Berücksichtigung finden. Ein Tool kann die noch offenen Lieferscheine automatisch fakturieren – idealerweise mit einer eigenen Rechnung pro Lieferschein oder als Sammelrechnung, die alle Lieferscheine bündelt und gliedert. So ist der Rechnungsempfänger leichter in der Lage, sie zu prüfen.
Auch bei der direkten Fakturierung jedes Lieferscheins kann ein Rechnungsvorschlag sinnvoll sein, um zu verhindern, dass eine Lieferung gar nicht zur Berechnung kommt. In der Praxis passiert das schnell, wenn ein Sachbearbeiter bei der Bearbeitung unterbrochen wurde und es schlicht vergisst. Gerade in kleineren Betrieben werden Leistungen oft nicht protokolliert, wenn sie beim Kunden vor Ort erfolgen, etwa bei Wartungen oder Reparaturen. Diese Fälle können wirksam verhindert werden, indem z.B. monatlich ein Rechnungsvorschlag zur Überprüfung erstellt wird – vollautomatisch und in wenigen Sekunden.
Überwachung von Zahlungsverkehr und offener Posten integrieren
Nach der Auslieferung und Fakturierung lässt sich die Effizienzsteigerung im Zahlungsverkehr und der Überwachung der offenen Posten weiterführen: Das gelingt zum einen, indem alle Rechnungen von Kunden mit Lastschriftvereinbarung automatisch per SEPA-Lastschrift nach der Rechnungsstellung eingezogen werden. Und zum anderen, indem eingehende Zahlungen von Selbstzahlern aus der Online-Banking-Software übernommen, ausgewertet und automatisiert den offenen Rechnungen zugeordnet und ausgeziffert werden können.
Die Forderungen, die nicht eingezogen wurden und nach Überschreitung des Fälligkeitstermins um einen vordefinierten Zeitraum von Karenztagen noch ganz oder teilweise offen sind, können dann mit einem automatisierten Mahnwesen in der Korrespondenzsprache des Kunden über mehrere Mahnstufen automatisch in einem Mahnvorschlag berücksichtigt werden. Dabei sollten einzelne offene Posten mit Klärungsbedarf ausgenommen werden und Key Account-Kunden für Mahnungen generell gesperrt werden können.
Viele Tools können die Zahlungsüberwachung offener Posten noch leisten, doch spätestens beim Mahnvorschlagswesen endet die Funktionalität. Wichtig ist also, darauf zu achten, dass die Software einen Kontoauszugsmanager bietet, der von Standardbanken Auszüge abholen, importieren und Belegtexte nach Rechnungsnummern durchsuchen kann – auch mehrere bei einer Überweisung. Bei Zahlungsavis sollte nachvollzogen werden können, welche Rechnung bezahlt wurde.
Die Prüfung kann mittels eines Ampelsystems anschaulich gemacht werden: Stimmen Rechnungsnummer und Betrag, schaltet die Ampel auf Grün. Wurde die Rechnung zu spät bezahlt oder ist der Skonto falsch, wird sie gelb. Liegt keine Rechnungsnummer vor oder handelt es sich um einen Zahlungseingang ohne offene Posten, wird die Ampel rot. Dann ist eine manuelle Nacharbeit erforderlich. Mit der richtigen Software lässt sich so eine Quote von 98 Prozent vollautomatischer Rechnungsverarbeitungen erreichen.
In vielen Unternehmen erfolgt die Überwachung offener Posten der Selbstzahler noch manuell. Bei hunderten eingehenden Zahlungen täglich, bei zahlreichen Belegen und kleinen Beträgen ein erheblicher Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Ertrag steht: Die Margen werden dann von administrativen Aufgaben gefressen.
Um den manuellen Aufwand und die Kosten in der Auftragsverarbeitung zu senken, sollten Unternehmen manuelle Arbeiten reduzieren und auf ein intelligentes Warenwirtschaftssystem setzen. Mit diesem lassen sich Aufträge priorisieren, die Kommissionierung mit MDE-Geräten vornehmen, Frachtaufträge und Sammelrechnungen automatisieren und die Überwachung des Zahlungsverkehrs und offener Posten integrieren. Vor allem für mittelständische Unternehmen mit geringen Margen bedeutet ein Warenwirtschaftssystem eine deutliche Steigerung der Effizienz und eine Reduzierung der Kosten.
Harald Sander ist Experte für Warenwirtschaftssysteme und Geschäftsführer der Pleasantsoft GmbH.