IDC-Studie „Cloud Computing in Deutschland 2017“ „Die Fachbereiche geben den Takt an“
26. Januar 2017Wenn es um den Einsatz des Cloud Computing geht, hat sich bei deutschen Unternehmen ein Umschwung ergeben – so zumindest das Ergebnis der IDC-Studie „Cloud Computing in Deutschland 2017“: Zum einen geben die Fachbereiche den Takt an. Zudem kommt es zu einer Rollenverschiebung im Rechenzentrum. Die wachsende vertikale und horizontale Verbreitung von Clouds verschiebt mittelfristig die klassischen Rollen der IT-Architekten und Systemadministratoren. Und als dritter Aspekt zeichnet sich ein Umbruch bei den Beziehungen zwischen IT-Anbietern und Unternehmen ab: Cloud-Angebote gelten dabei als Türöffner für neue Anbieter.
Perspektivwechsel
Viele Unternehmen haben das Thema Cloud Computing in den vergangenen Jahren opportunistisch vorangetrieben. Für das Jahr 2017 erwartet IDC einen deutlichen Perspektivwechsel im Umgang mit Cloud Services und Cloud-Technologie. Doch er lässt sich nur auf Basis einer strukturierten Cloud-Transition bewältigen. Um einen Einblick in die veränderten Sichten auf Cloud Computing, Umsetzungspläne und Schwerpunkte innerhalb der Cloud-Strategie und Cloud Transition zu erhalten, hat IDC im Dezember 2016 insgesamt 317 IT- und Fachentscheider aus Unternehmen in Deutschland mit mehr als 20 Mitarbeitern befragt.
Im Bereich der Cloud-Strategie konzentrieren sich zwei Drittel der Unternehmen noch auf Einzelprojekte. Doch haben sie eine deutliche Intensivierung ihrer Cloud-Aktivitäten geplant. Dabei schreitet der Einsatz von Cloud Computing mit großen Schritten in Unternehmen aller Größenklassen und Branchen in Deutschland voran. Das gilt somit nicht nur für große Firmen, sondern auch der Mittelstand legt seine Bedenken mehr und mehr beiseite. IDC erwartet eine rasche Ausweitung der weithin sichtbaren Cloud Initiativen. 60 Prozent der befragten Unternehmen befinden sich derzeit noch in einer frühen Phase. Sie beschäftigten sich mit Pilotprojekten, treiben in einzelnen Fachbereichen individuelle Initiativen voran oder habe noch keine Cloud-Strategie definiert.
Diese Situation wird sich in den kommenden 24 Monaten signifikant wandeln. Dann werden knapp zwei Drittel der Unternehmen Cloud Computing umfassend in ihren Unternehmen einsetzen, um letztendlich immer stärker auf eine Cloud First-Strategie hinzuarbeiten. Der Einsatz von Cloud Computing ist somit eine grundlegende Antwort auf die Digitalisierung, die 52 Prozent der Unternehmen als eine zentrale Herausforderung sehen.
„Cloud Computing wird mittelfristig das Standardmodell für die IT-Architektur und das technologische Framework für die digitale Transformation in allen Unternehmen sein“, erläutert Matthias Zacher, Senior Consultant und Projektleiter bei IDC. „Die Trennung zwischen Technologie-getriebenen IT-Services auf der einen Seite und Business- und Prozessservices auf der anderen Seite tritt für die Fachbereiche immer stärker in den Hintergrund mit ihrer Forderung nach einfach zu konsumierenden Cloud Services.“
Transition im vollen Gange
Eine Cloud Transition basiert auf einer strukturierten Vorgehensweise zur Umsetzung von Cloud-Initiativen, die neben einer technischen Sicht auf Cloud Services und Cloud-Technologie auch Prozesse und organisatorische Aspekte berücksichtigt. Unternehmen, die sich heute erstmals oder vertiefend mit Cloud Computing beschäftigen, befinden sich in einer komfortablen Ausgangslage. Sie können auf zahllose Best Practices, Cases, Einführungs- und Nutzungsmodelle zurückgreifen. Dieser hohe Reifegrad der allgemeinen Cloud-Diskussion spiegelt sich in der Bewertung der einzelnen Prozessschritte klar wider.
Besonderen Wert legen Organisationen auf die Kostenanalyse. Damit zeigt sich, dass Cloud Computing in vielen Unternehmen als Kostensenkungsfaktor gesehen wird. Hier kommt es aber stark auf den Business Case an, in den die Cloud-Initiative eingebettet ist. Die Firmen verstehen zudem immer besser, dass es sehr wichtig ist, die relevanten aktuellen und künftigen Workloads einer umfassenden Bewertung zu unterziehen sowie die technischen und operativen Voraussetzungen zu überprüfen. Eigene Erfahrungen, das allgemein verfügbare Wissen über Cloud Computing sowie veränderte Rahmenbedingungen haben zu veränderten Sichtweisen und zu Perspektivwechseln geführt.
Als erster dieser Perspektivwechsel zeichnet sich ab, dass die Fachbereiche künftig den Takt angeben: Die Fachentscheider bestimmen die Diskussion um die Nutzung von Cloud Services immer stärker. 70 Prozent der Fachbereiche evaluieren und budgetieren Cloud Services, entweder eigenständig oder innerhalb eines Entscheidergremiums.
Cloud Services und insbesondere Public Cloud Services sind aber für Fachbereiche keineswegs neu. Aber die Zahl der Public Cloud Services wächst täglich an. Spezielle Geschäftsprozesse via Cloud Services oder die Automatisierung von Prozessen und Funktionalitäten treffen die Anforderungen vieler Fachbereiche. Die zunehmende Vernetzung von Ökosystemen ist ein weiterer Treiber. 28 Prozent der Geschäftspartner setzen immer stärker auf Cloud Services und fordern diese aktiv ein.
IT-Rollen ändern sich
Das Cloud Computing verändert die Jobrollen in den IT-Abteilungen. 50 Prozent der IT-Entscheider sehen die Rollen der IT-Architekten, Systemadministratoren und der Verantwortlichen für IT-Operations im Wandel. Je mehr Cloud Services ein Unternehmen nutzt, umso tiefgreifender werden die Veränderungen sein. Das betrifft das Fachwissen, die Prozesse und die Unternehmenskultur. IT-Systeme werden offener und schneller.
Tätigkeiten, die sich automatisieren lassen, werden autark und damit ohne Mitarbeiter laufen. Hybride Clouds und Multi-Clouds stellen völlig neue Anforderungen an die Integration von Technologie und Prozessen. Das ist für viele IT-Organisationen Neuland. Anwendungsentwicklung, Testing und IT-Betrieb ändern sich mit der Verbreitung effizienter Tools und Vorgehensweisen stark. Dem steht entgegen, dass in mehr als der Hälfte der Firmen geringe oder keine Kenntnisse über DevOps und Continuous Integration vorhanden sind. IDC empfiehlt Unternehmen, die Relevanz von DevOps zu prüfen, denn die Nutzung neuer Vorgehensweisen und Tools kann die Effizienz der Anwendungsbereitstellung stark verbessern.
Aber auch die Beziehung zwischen IT-Anbietern und Unternehmen befinden sich im Umbruch – das ist der dritte Perspektivwechsel. Knapp drei Viertel der Befragten sind der Ansicht, dass ihr Services-Provider ihre Anforderungen an eine Cloud-Transformation voll und ganz oder überwiegend erfüllt. Allerdings ist das kein Freifahrtschein für IT-Hersteller. Denn für neue Cloud-Transformationsprojekte sind 65 Prozent offen für neue Anbieter.
Klassische langfristige Lieferantenbeziehungen stehen zur Disposition. Das ist ein neuer Aspekt, auf den sich IT-Anbieter einstellen müssen. Mit Cloud Services werden große Funktionsblöcke in kleinere Services gesplittet, die auch immer besser integriert bzw. über APIs verbunden werden können. Das gilt auch für die Nutzung der Services verschiedener Anbieter. IDC beobachtet, dass Transparenz und langfristige Roadmaps für unternehmenskritische Anwendungen in der Cloud wichtig sind und die Haltung vieler Unternehmen gegenüber ihren IT-Lieferanten beeinflusst.
Zahlreiche IT-Anbieter haben sich in den vergangenen Jahren schwergetan, eine klare Cloud Roadmap zu formulieren und den Nutzen ihrer Cloud Lösungen zu vermitteln. Diese Situation hat sich offenbar verändert. Die Unternehmen haben das inzwischen auch erkannt und sind immer häufiger bereit, Cloud Services unterschiedlicher Anbieter in ihre IT-Landschaft zu integrieren.
Die Sicherheitsdiskussion rund um das Thema Cloud ist in Deutschland spürbar gereift, aber weiterhin vorhanden. „Prominente“ Sicherheitsvorfälle und geopolitische Entwicklungen sorgen dafür, dass sicherheitsrelevante und rechtliche Aspekte für 47 Prozent der Befragten weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Sicherheitsbedenken sind in allen Größenklassen und Branchen anzutreffen, wobei die Finanzindustrie und die Öffentliche Hand nochmals häufiger Bedenken als die Unternehmen anderer Branchen äußern.
31 Prozent der Organisationen haben Bedenken gegenüber der Verfügbarkeit der Cloud Services. Diese Sorge ist nachvollziehbar und berührt zwei Fragestellungen. Zum einen geht es um die Verfügbarkeit in den Cloud-Rechenzentren selbst und zum anderen für die Unternehmen, die öffentliche Netze benutzen, um Highspeed-Datenverbindungen – also schnelles Internet. Die ständige Verfügbarkeit von Cloud Services ist essentiell für Unternehmen aller Branchen. Vor allem der Mittelstand leidet in vielen Gebieten Deutschlands unter einer mangelnden Netzverfügbarkeit. Das ist ein echter Wettbewerbsnachteil.
Matthias Zacher
ist Senior Consultant bei der IDC Central Europe GmbH.
Hier geht es zu einer Zusammenfassung der aktuellen Studie für Anwenderunternehmen.