Fragen auf dem Weg zur IT-UnabhängigkeitCloud, eigenes Rechenzentrum oder Colocation?

8. Juli 2025

Wenn Unternehmen über Datensicherheit sprechen, geht es längst nicht mehr nur um Firewalls oder Backup-Strategien. Im Mittelpunkt steht die Unabhängigkeit in einer zunehmend digitalisierten Welt. Denn wer Daten nur speichert, aber nicht über ihre Zugriffe, Standorte und Infrastrukturen bestimmt, läuft Gefahr, zum Getriebenen zu werden. IT-Souveränität – als Fähigkeit, technologische Entscheidungen unabhängig von geopolitischem, regulatorischem oder wirtschaftlichem Druck zu treffen – wird damit zur strategischen Führungsaufgabe.

Cloud first war lange die Devise. Doch globale Krisen, Sanktionen und Lieferengpässe zeigen: IT-Souveränität kann sich schnell zum echten Wettbewerbsfaktor entwickeln – gerade bei hochsensiblen Daten. Wer heute voll auf Cloud-Lösungen insbesondere von außereuropäischen Anbietern setzt, macht sich nicht nur technisch, sondern auch strategisch abhängig. Datenzugriffe durch Drittstaaten (Stichwort CLOUD Act), Unsicherheiten bei Vertragskündigungen und das Fehlen von physischer Kontrolle am Serverstandort können sich früher oder später zu ernsthaften Bedrohungen wandeln.

Darüber hinaus nehmen die gesetzlichen Anforderungen an Organisationen zu. Mit der NIS2-Richtlinie, dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) und verschärften DSGVO-Standards sind beispielsweise sichere und transparente IT-Infrastrukturen längst verpflichtend geworden. Unternehmen mit kritischen Systemen benötigen belastbare Nachweise über Datenhoheit, Ausfallsicherheit und Zugriffsschutz. Aber auch Firmen, die nicht zum KRITIS-Bereich zählen, sollten Bestimmungen umsetzen, um Sicherheit und Unabhängigkeit dauerhaft gewährleisten zu können.

Infrastrukturen unter Druck

Die Wahl der IT-Infrastruktur rückt für Organisationen demnach aus verschiedenen Gründen in den Fokus: Datenprozesse wollen sie in unsicheren Zeiten lückenlos geschützt wissen. Gleichzeitig verlangen zentrale Richtlinien und Gesetze architekturseitige Nachvollziehbarkeit, geografische Sicherheit und technische Redundanz.
Anforderungen, die die Public-Cloud-Modelle nicht uneingeschränkt erfüllen können. Zwar stehen sie für Skalierbarkeit und Agilität, sobald sich der Anbieter außerhalb der EU befindet, sind jedoch Abstriche bei Datenhoheit und physischer Transparenz möglich. Organisationen erhalten keinen Zugriff auf Serverstandorte oder Netzwerkinfrastruktur. In geopolitisch angespannten Zeiten kann das zu realen Zugriffsbeschränkungen führen. Zudem sind Auditnachweise oder KRITIS-Vorgaben oft nur mit Zusatzaufwand erfüllbar.

Eigene Rechenzentren versprechen maximale Kontrolle, die ebenso ihren Preis hat: Investitionskosten, Personalmangel, Wartungspflichten und regulatorische Auflagen, zum Beispiel zur Energieeffizienz oder baulichen Sicherheit, sind für viele Unternehmen kaum realistisch umzusetzen. Vor allem mittelständische Firmen stoßen hier schnell an organisatorische Grenzen.

Colocation bietet einen strategischen Mittelweg: Die Hardware bleibt im Eigentum der Organisation, während Dienstleister Betrieb, Stromversorgung, Kühlung, physische Absicherung und Zertifizierungen übernehmen. Damit lassen sich sowohl gesetzliche Anforderungen erfüllen als auch Souveränität und Skalierbarkeit verbinden – insbesondere in hybriden Szenarien mit Cloud-Integration.

Antworten auf häufige Daten-Fragen

IT-Unabhängigkeit und damit auch Datensouveränität stellen somit keinen Zustand dar. Sie sind viel eher eine bewusste Entscheidung. Wer Risiken minimieren und rechtliche Anforderungen erfüllen will, muss strategische und technische Aspekte klären – über Anbieter und Standardlösungen hinaus. Diese fünf Leitfragen helfen Unternehmen bei der Positionsbestimmung.

  • Wie stellen wir Datenverfügbarkeit selbst im Krisenfall sicher? Zugriffe auf Daten müssen jederzeit sichergestellt sein – unabhängig von Drittstaatenregelungen, Anbieterpolitik oder Standortunsicherheiten. Organisationen brauchen Exit-Strategien, technische Isolation, beispielsweise bei politischen Sanktionen, klare Verfügbarkeitsgarantien und Zugriffskontrollen bis auf Infrastrukturebene. Hybride Architekturkonzepte mit Colocation ermöglichen physische Nähe und regulatorische Sicherheit, ohne auf Cloud-Integration (in Deutschland oder Europa!) zu verzichten.
  • Können wir regulatorische Anforderungen infrastrukturell nachweisen? Verfügbarkeitsklassen, Energieverbrauch, Datenschutzmaßnahmen – gesetzliche Anforderungen wie NIS2 verlangen konkrete Belege. Reine Cloud-Umgebungen erschweren diese Nachweise häufig. Zertifizierte Rechenzentren schaffen Abhilfe. Wichtige Zertifikate sind hierbei Trusted Site Infrastructure (TSI), DIN EN 50600 ISO 27001 und ISAE 3402. Gleichzeitig sollten Anbieter transparente SLAs ebenso wie dokumentierte Audits vorweisen können. Colocation kann eine belastbare Grundlage bilden– insbesondere für KRITIS-nahe Bereiche.
  • Wie zukunftsfähig ist unser aktuelles Infrastrukturszenario wirklich? Technologische Entwicklungen, neue Gesetze und Marktverschiebungen setzen bestehende IT-Modelle unter Druck. Wer heute auf maximalen Cloud-Lock-in setzt, könnte morgen migrationsunfähig sein. Architekturentscheidungen müssen Verantwortliche modular, rückholbar und integrationsfähig treffen. Colocation als feste Säule einer hybriden IT-Infrastruktur schafft die notwendige Resilienz gegen unvorhersehbare Rahmenbedingungen.
  • Haben wir physische Sicherheitsrisiken realistisch bewertet? Datenintegrität endet nicht beim Firewall-Log. Zutrittskontrolle, Brandschutz, Redundanz und Notfallplanung sind Voraussetzungen für DSGVO- und KRITIS-Konformität. Eigene Rechenzentren erfordern hier massive Investitionen. Professionelles Server-Housing hingegen bietet standardisierte Sicherheitskonzepte. Im besten Fall umfassen diese auch Videoüberwachung, Notfallübungen und detaillierte Zugangskontrollen. Zusätzliche Sicherheit gewährleisten regelmäßig geprüfte Schutzklassen, die sämtliche externe Anforderungen erfüllen.
  • Wer kontrolliert unsere Infrastruktur – und wer könnte Zugriff erlangen? In sensiblen Bereichen ist der rechtliche Rahmen entscheidend: US-amerikanische Cloud-Anbieter unterliegen dem CLOUD Act, unabhängig vom Serverstandort. Zugriff durch Behörden ist also rechtlich denkbar – ganz ohne deutsches Gerichtsurteil. Wer volle Datenhoheit behalten möchte, sollte seine Infrastruktur selbst verwalten oder bewusst in zertifizierte, europäische Colocation-Strukturen auslagern. Nur so lässt sich tatsächliche Kontrolle selbst über Dritte sicherstellen.

Souverän entscheiden

Unternehmen, die ihre Datenverarbeitung langfristig und regulatorisch absichern wollen, kommen um eine grundlegende Infrastrukturentscheidung nicht herum. Colocation ist dabei eine überzeugende Antwort auf viele der heutigen Herausforderungen – gerade, wenn es um Kontrolle, Nachvollziehbarkeit und physische Sicherheit sensibler und geschäftskritischer Daten geht. Doch auch hybride Modelle, die Colocation und Cloud sinnvoll kombinieren, können für Organisationen der richtige Weg sein, sofern sie bewusst konzipiert und technisch beherrschbar sind.

Am Ende gibt es nicht die eine richtige Lösung – und darauf kommt es auch nicht an. Wichtiger ist die Fähigkeit, bewusst und flexibel zu entscheiden. Souverän ist, wer Infrastruktur, Risiken und Verantwortung versteht und aktiv gestaltet.

Stefan Daiber ist Abteilungsleiter Architecture & Infrastructure und verantwortet den Betrieb der Rechenzentren der q.beyond AG, ebenso wie den eigenen europäischen Backbone. Christian Klinkerfuß ist Bereichsleiter Managed Services und seit über 25 Jahren bei der q.beyond AG für unterschiedlichste Managed Services verantwortlich.

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