Einführung von SAP S/4HANA EWM (Extended Warehouse Management)Darum ist die Detailplanung so wichtig
10. August 2021Bei der Einführung von SAP S/4HANA EWM in der Lagerlogistik ist die Detailplanung erfolgskritisch – so die Erfahrung eines großen mittelständischen Herstellers mit komplexer Lagerhaltung und drei sehr unterschiedlichen Geschäftsbereichen. Der Aufwand dafür ist nicht zu unterschätzen, doch das Ergebnis überzeugt.
Beim Familienunternehmen FRÄNKISCHE Rohrwerke Gebr. Kirchner GmbH & Co. KG stand Anfang 2018 ein umfangreiches IT-Projekt an: Das bisherige ERP-System war aus der Wartung gelaufen und sollte in der Division BAU und den Zentralbereichen durch SAP S/4HANA ersetzt werden, zunächst am Hauptstandort in Königsberg. Speziell im Logistikbereich war damit die Einführung des leistungsstarken Lagerverwaltungssystems SAP Extended Warehouse Management (EWM) Embedded verknüpft.
Neben der reinen Umstellung auf die SAP EWM Technologie sollten auch die Grundlagen für weitere Prozessdigitalisierungen gelegt werden. Für die Planung und Einführung im Greenfield-Ansatz hatte das Projekt-Team einen externen Implementierungspartner mit an Bord geholt. „Es gab zu dem Zeitpunkt im Unternehmen noch keine SAP-Erfahrung. Deshalb waren wir hier in besonderem Maße auf die Beratung durch einen Partner angewiesen“, erläutert Uwe Schäfer, Leiter der SAP IT bei FRÄNKISCHE, der im März 2018 ins Unternehmen kam und die interne SAP-Abteilung mit aufbaute.
Geplant war die Umsetzung innerhalb eines Jahres. Das Projekt folgte dem klassischen SAP Activate Implementierungsmodell: Projektplan und -phasen wurden festgelegt, die Grundstruktur für den Projektablauf erstellt. Der erste Test war erfolgreich, doch dann nahmen die Schwierigkeiten zu. Als beim entscheidenden letzten Test aufgrund fehlender Integrationen von knapp 50 Testfällen weniger als ein Viertel funktionierten, fiel die Entscheidung, sich umgehend zusätzliche Unterstützung und personelle Verstärkung zu suchen:
„Uns war klar, dass wir dieses umfangreiche Projekt nicht mehr nur mit dem ursprünglichen Implementierungspartner stemmen können“, sagt Uwe Schäfer. Über eine Empfehlung kam es zur Beauftragung der FIS Informationssysteme und Consulting GmbH. Die Expertise des SAP Gold Partners mit Schwerpunkt in der Beratung und Implementierung von SAP- und Logistik-Projekten überzeugte. Im Februar 2019 wurde die EWM-Projektleitung an FIS übertragen, das bisherige Beratungshaus blieb ebenfalls im Projekt. Der Go-live-Temin wurde für Januar 2020 neu festgesetzt.
Die Herausforderung: Komplexität und Detailplanung
Nach der ersten Lagerbegehung durch FIS ging es zunächst an die Bestandsaufnahme und Auditierung. Wie war das Projekt so in Schieflage geraten? Die Hauptursache hatte sich im Projektverlauf immer deutlicher herauskristallisiert: Die Komplexität der Prozesse und der daraus resultierende Aufwand für die Detailplanung waren im ersten Implementierungsansatz unterschätzt worden. Die Division BAU besteht aus den drei Geschäftsbereichen Drainage Systeme, Elektro Systeme und Haustechnik, die jeweils ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen und sich in ihren jeweiligen Produktspektren, Kundenstrukturen und Vertriebswegen stark unterscheiden.
Diese Komplexität spiegelt sich in hohem Maß auch in der Logistik wider: „Wir haben hier ganz unterschiedliche Prozesse, auch in der Abwicklung – Kleinteile, die zunächst kommissioniert werden, Produkte, die erst verpackt werden müssen, ebenso wie Großgeräte, die direkt auf den Lkw verladen werden“, beschreibt Uwe Schäfer. Bis zu 160 Lkw sind allein am Standort Königsberg täglich zu verladen. Dazu kommt die Größe der Lager: 24 Gebäude und Freilagerflächen mit über 100 verschiedenen Lagertypen – der Härtetest für jedes Warehouse-System.
Das alles galt es detailliert abzubilden, um die direkte Umsetzung, vor allem auch die Integration in die SAP-Prozesse, zu ermöglichen sowie erforderliche Anpassungen und Eigenprogrammierungen zu berücksichtigen. Das bisherige Konzept entsprach jedoch noch nicht diesen Voraussetzungen. Die entscheidende Aufgabe für FIS war es also, die Detailplanung nachzuholen. Dazu wurden die Dokumentationen eingesehen, einzelne Prozesse ausführlich besprochen.
Anschließend konnten die Prozessbeschreibungen fertiggestellt und alle zukünftigen Soll-Prozesse in sehr hohem Detaillierungsgrad in einem Fachkonzept festgeschrieben werden. Auch Sonderentwicklungen für individuelle Anforderungen von FRÄNKISCHE, wie beispielsweise ein eigener Funkdialog für die Kommissionierung mit mobilen Endgeräten oder die Anbindung des Hochregallagers über eine individuelle SAP-Schnittstelle, fanden hierbei Berücksichtigung und wurden von FIS mitentwickelt.
Hohes Arbeitspensum und enge Taktung
Um effizienter arbeiten zu können, wurden die Funktionen Projektplanung und EWM-Beratung getrennt. Parallel fand auch eine Priorisierung statt: Die Konzentration auf die Umsetzung der wesentlichen Prozesse und Funktionalitäten war unumgänglich, um den angestrebten Termin einzuhalten.
Kick-off war im Mai 2019. Steffen Will, Projektleiter bei FIS, erinnert sich: „Anfang Mai war die kritische Phase. Uns allen war klar: In den nächsten Wochen zeigt sich, wie wir vorankommen und ob der geplante Go-live-Termin im Januar 2020 gehalten werden kann.“ In der Praxis bestätigten sich die Einschätzungen zum hohen Arbeitsvolumen. Das Projekt erwies sich als sehr arbeits- und personalintensiv. In Teilprojektgruppen wie Wareneingang, -ausgang oder Versand, arbeitete je ein Mitarbeiter von FRÄNKISCHE mit ein bis zwei Mitarbeiter der externen Berater zusammen.
So konnte ein ständiger Austausch sichergestellt werden. Zusätzlich zu den Beratern des weiter mitwirkenden Beratungshauses waren während des Projekts sieben, in Spitzenzeiten sogar bis zu zehn Berater bei FIS im Einsatz und durchgehend vor Ort in Königsberg. Es gab intensive Gespräche und mehrfache Anpassungen. Die unterschiedlichen Geschäftsbereiche wurden auf Übereinstimmung in den Prozess-Abläufen hin untersucht, um einen möglichst homogenen Prozess über das gesamte System hinweg sowie die Prozessintegration sicherzustellen. „FIS hat hier an allen Ecken und Enden tatkräftig unterstützt“, so Uwe Schäfer.
Die Containerwand wird zum Kanban-Board
Den Überblick über den aktuellen Projektstand zu behalten, war eine Herausforderung. Hier fanden die Projektpartner eine pragmatische wie wirkungsvolle Lösung: Eine riesige Containerwand wurde in ein Kanban-Board umfunktioniert. Alle Teilaufgaben und Arbeitspakete wurden einzeln notiert. Die entsprechenden Magnetkärtchen füllten schließlich die Wand in kompletter Breite und Höhe. Je nach Stand der Umsetzung konnten so alle Aufgaben den jeweiligen Projektphasen zugeordnet werden, von Feinkonzept, Entwicklung, Test und Weiterentwicklung bis hin zu Anwendertests und Schulung.
Im August und September wurden die ersten Integrationstests durchgeführt – erstmals in vollem Umfang, mit allen angrenzenden Modulen, beginnend mit dem Bestellvorgang. Als wichtige Aufgabe vor dem Go-live stand die Schulung der über 100 Mitarbeiter im neuen System an. Dafür wurde ein mehrstufiges Modell verwendet: Lead Key User, die von Anfang an am Projekt beteiligt waren, erstellten zunächst mit Hilfe von SAP Enable Now die Schulungsunterlagen für die Key User, wie etwa Schichtführer und Lagerverantwortliche. Diese übernahmen dann wiederum die Einweisung in ihren jeweiligen Abteilungen. Auch hier unterstützte FIS umfangreich. So wurden mehrere Verantwortliche vom Standort Schwarzheide bereits mit geschult.
Schnelle Lasterhöhung zum Go-live
Am Ende wurde es noch einmal spannend: „Zum Go-live hatten wir eine Anlauf-Phase über vier Wochen geplant. Wir wollten mit 30 Prozent des üblichen Volumens beginnen, dann allmählich auf 100 Prozent hochfahren“, berichtet Uwe Schäfer. Es kam ganz anders. Die Saison begann so stark, dass schon vom ersten Tag an deutlich höhere Volumina im Lager abfertigt werden mussten, als je geplant war – und es funktionierte. Der Plan wurde sogar überboten.
„Alle Lkw sind vom Hof gerollt und wir hatten keinen einzigen Tag mit Systemausfall“, so Schäfer. „Ein Go-live, wie wir ihn uns nach dem zunächst schwierigen Projektverlauf nicht erträumt hätten“. Auch die Geschäftsleitung und die Fachkolleg/innen seien äußerst zufrieden gewesen, speziell mit dem Go-live im Logistikbereich.
Im Ergebnis konnten am Standort Königsberg alle SAP-Module eingeführt werden. Zudem wurde der Tourenplan, das Prüf- und Qualitätsmanagement und das Hochregal über eine eigene Schnittstelle an das neue S/4HANA-System angebunden. Das Vorgehen dient nun als Template für die Umsetzung in den anderen Lagern des Herstellers.
„Die Berater von FIS haben uns vor allem durch ihre hohe Einsatzbereitschaft und Flexibilität überzeugt, durch ihre Motivation, wo immer erforderlich, zu unterstützen“, resümiert Uwe Schäfer. Das Familienunternehmen war so zufrieden mit der Zusammenarbeit mit FIS, dass weitere Projekte bereits geplant und teilweise realisiert wurden, wie beispielsweise der weiterführende Support nach dem EWM-Go-live sowie die Software-Überlassung des SAP-basierten Stammdatenpflege-Tools.
Nicola Hauptmann für Wordfinder PR