ERP-System und Industrie 4.0: Aufgabenstellung ändert sich Den ERP-Betrieb flexibler und effizienter gestalten

8. März 2016

Der Begriff „Industrie 4.0“ steht dafür, dass ERP-Systeme die Produktionsbetriebe entlang der kompletten Wertschöpfungskette mit einer anpassungsfähigen Unternehmenssoftware in den Kernprozessen unterstützen müssen. Aber mit „Industrie 4.0“ – und dem Internet of Things (IoT) – halten viel mehr Informationsobjekte Einzug in die Aufgabenstellung. Somit stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen muss ein ERP-System mitbringen, um die gestiegenen Datenmengen und die zusätzlichen Abläufe im Unternehmen zu beherrschen und zu unterstützen? Experten aus dem ERP-Bereich – von der GUS Group, ITML, Mesonic und Oxaion – haben darauf die passenden Antworten gegeben.

Herausforderung durch Big Data

Claudia Harth, Marketingleiterin mesonic Deutschland, Quelle: mesonic

„Im Zusammenhang mit dem Industrie 4.0-Kontext müssen ERP-Hersteller ihre Hausaufgaben machen“, ist Claudia Harth, Marketingleiterin mesonic Deutschland, überzeugt. „Das beginnt bei der mobilen Nutzung des ERP-Systems über die Verarbeitung großer Datenmengen – Stichwort ‚Big Data‘ – bis zur komplexen Vernetzung verschiedener Systeme und Abteilungen bzw. Bereiche.“ Die Nutzung von ERP-Funktionen über mobile Devices, wie Tablet, Netbook etc., sei bereits heute ein fixer Standard, den moderne ERP-Systeme erfüllen müssen. „Hierbei ist wichtig, möglichst alle Mobilplattformen – wie iOS, Android, Windows Mobile – abzudecken, um ein möglichst breites Spektrum von Anwendern einzubeziehen.“

Für Harth ist die digitale Vernetzung von Menschen, Maschinen, Objekten und IT-Systemen ein weiterer elementarer Punkt: „Alle Aktionen und Informationen müssen im ERP-System zusammengeführt und ausgewertet werden können. Eingebundene Business Intelligence-Systeme für systematische Datenauswertungen fällt hier die zentrale Rolle zu.“ Dies führt nach ihrer Ansicht zum dritten wichtigen Aspekt: die Verarbeitung von großen Datenmengen. „Der Aspekt ‚Big Data‘ wird sicherlich eine der größten Voraussetzungen für ERP-Systeme im Zusammenhang mit Industrie 4.0 darstellen. Der Einsatz moderner Datenbanken und optimierte Datenspeicherung sind hierbei unerlässlich.“

Das bestätigt auch Ulrich Gauweiler, Geschäftsführer itml: „Ein IoT- oder Industrie 4.0-fähiges ERP-System muss außer einer modernen und leistungsstarken Datenbanktechnologie auch die technischen Voraussetzungen haben, um neue Abläufe und Informationsobjekte schnell und einfach integrieren zu können.“

Für Dirk Bingler, Sprecher der Geschäftsführung der GUS Deutschland GmbH, bekommen die ERP-Systeme im Kontext I4.0 die neue Rolle eines Integrationshubs zugewiesen. „Es ist eine Brücke zwischen den Welten des Shop-Flor, der MES-Systeme und den fertigen vernetzten Produkten zu schlagen. Die Daten sind filtern, zu klassifizieren und an die entsprechenden Systeme weiterzugeben. Weiterhin müssen ERP-Systeme zusätzliche – semantische – Informationen liefern, um Daten richtig interpretieren zu können.“ Nach seiner Ansicht sind alle anderen Software-Anwendungen (unternehmensintern und -übergreifend/horizontal und vertikal) zu integrieren, sofern sie steuerungsrelevante Informationen verarbeiten.

„ERP-Systeme konzertieren deren Zusammenspiel nach Maßgabe der im ERP-System hinterlegten Geschäftslogik“, erklärt Bingler. „Dies setzt voraus, dass ein ERP-System mit anderen Systemen über standardisierte Schnittstellen und einer einheitlichen Semantik kommuniziert, um große Datenmengen (in Echtzeit) zu speichern und verarbeiten zu können, daraus Prognosen mittels Predictive Analytics abzuleiten, mit der Zielsetzung Produktionsabläufe kontinuierlich zu optimieren.“ Zudem müssten laut Bingler Ressourcen zentral geplant werden – trotz oder auch mit einer dezentralen Prozesssteuerung und Cloud-Services sowie IoT-Plattformen seien für die neue Rolle als Integrationshub einzubinden und damit die Datenlogistik sicherzustellen.

„Auch in den Fabriken der Zukunft werden ERP-Systeme das informationstechnische Rückgrat für sämtliche betriebswirtschaftlichen Prozesse bilden“, ist Holger Ritz überzeugt. Der Leiter Produktmanagement bei der oxaion ag redet der konsequenten Weiterentwicklung das Wort: „Als Anbieter konzentrieren wir uns im Wesentlichen auf die Entwicklungsfelder Usability, Connectivity und Mobility. So ist die Vernetzung von Systemen im Sinne einer Smart Factory für uns kein diffuses Zukunftsthema, sondern wir stellen den Unternehmen schon heute eine transparente, ganzheitliche ERP-Lösung zur Verfügung, die flexibel auf jeweilige Ressourcenstrukturen reagiert und sich auf der Planungs- und Steuerungsebene so variabel wie möglich verhält.“ Denn was nütze es, wenn smarte, sich selbststeuernde Maschinen und Anlagen sich schnell auf neue Bearbeitungsprozesse anpassen lassen, die ERP-Software dies jedoch nicht abbilden kann. Bei oxaion lasse sich das, so Ritz, sehr flexibel und transparent, egal ob Losgröße 1, Klein- oder Großserienfertigung realisieren.

ERP aus der Cloud

Dirk Bingler, Sprecher der Geschäftsführung der GUS Deutschland GmbH; Quelle. GUS Group

Generell gelten ERP-Software aus der Cloud oder als Software-as-a-Service als moderne Bereitstellungs- und Abrechnungsmodelle, die dazu beitragen können, den ERP-Betrieb flexibler und effizienter zu gestalten. Doch rechtliche Fragen, die vor allem den Datenschutz und die Datensicherheit betreffen, rücken das Konzept „Business Software aus der Cloud“ immer wieder in ein negatives Licht. Daher ergibt sich die Frage, wie sich das beim „ERP-System im Kontext Industrie 4.0“ darstellen wird – gibt es dann noch den On-Premise-Einsatz auf breiter Front?

Für Ulrich Gauweiler nicht: „Die Sicherheit ist ganz klar noch ein elementares Thema. Aber zukünftig werden sich immer mehr Cloud-Szenarien durchsetzen.“ Als Grund sieht er deutliche Vorteile aufgrund von Komplexitäts- und Kostengründen: „Heutzutage ist bereits ein Nebeneinander von On-Premise-S/4HANA ERP und HANA Enterprise Cloud als zielführend zu beurteilen.“

Vorsichtiger urteilt Dirk Bingler: „ERP-Systeme in der Cloud haben sich im deutschen Mittelstand noch nicht durchgesetzt. Grundsätzlich gilt: Die Cloud-Affinität nimmt mit steigender Produktionsnähe eines Unternehmens ab. Im Mittelstand ist aus verschiedenen Gründen auf absehbare Zeit keine flächendeckende Verlagerung zentraler Produktionsprozesse in die Cloud zu beobachten. Nichtsdestotrotz halten durch weitere Services, wie z. B. CRM, Office und HCM, Cloud-Dienste Einzug in Unternehmen.“ Nach seiner Ansicht stellen hybride Modelle den Weg in die Zukunft dar: „ERP/MES bleiben lokal vor Ort – also On Premise – und werden angereichert um zusätzliche Services aus der Cloud. Die Cloud bekommt zudem eine weitere Rolle zur Orchestrierung und Vernetzung der Industrie 4.0 Komponenten, z. B. in Form von IoT-Plattformen.“

Auch bei Oxaion sieht man den On-Premise-Einsatz auf breiter Front noch als gesetzt: „Ob bei Konzernen oder im Mittelstand – IT-Strukturen werden zunehmend komplexer und bald maßgeblich von der Cloud geprägt sein. Und aktuell gibt es eigentlich kaum eine bessere Lösung, als Unternehmensdaten von einem deutschen Rechenzentrum nach deutschen Datenschutzrechten verwalten zu lassen“, ist Holger Ritz überzeugt. Verfügbarkeit sei allerdings ein Thema, das in diesem Zusammenhang immer wichtiger wird: „Mit unseren ‚Managed Services‘ bieten wir in Zusammenarbeit mit UBL ein umfassendes Leistungsspektrum, das Anwendern einen schnellen und flexiblen Zugriff auf eine sichere, Cloud-basierte virtuelle Server-Umgebung erlaubt. Das Angebot reicht dabei von maßgeschneiderten Managed Services über die kurzzeitige Bereitstellung von Rechenleistung bis hin zur Langzeitarchivierung.“

Rainer Huttenloher

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