Top-Changemanagement-Bereiche in S/4HANA-Programmen Eine S/4HANA-Transformation ist kein Projekt, sondern ein Programm
8. August 2024Die Umstellung von einem ERP-System auf S/4HANA ist kein Update, es ist der Wechsel auf eine komplett neue SAP-Lösung. Und ein S/4HANA-Programm ist auch kein IT- sondern ein strategisches Unternehmensprogramm, das umgesetzt und gelebt werden muss. Das Sprecherteam des Arbeitskreises S/4HANA Transform der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG), Patrick Kosche und Eric Neiser, zeigt, worauf es dabei ankommt.
Wenn in einem Unternehmen die IT historisch gewachsen ist, und Fachleute verloren gehen, die die Systeme aus dem Effeff kannten, ist der Schritt hin zu einer Standardsoftware nur logisch. Aber auch diese Systeme werden über die Jahre nicht selten individuell weiterentwickelt, um eigene Prozesse abzubilden. Und dann kommt der große Sprung auf S/4HANA, mit vielen neuen Möglichkeiten, aber auch großen Herausforderungen. Denn je mehr individualisiert wurde, desto schwieriger lassen sich Komponenten einfach so austauschen.
Der Kompatibilitätsumfang kann schnell ein großes Problem werden, wenn auf Komponenten gesetzt wurde, die nach einem Umstieg nicht mehr nutzbar sind. Dazu gehören z. B. die Änderungsaufträge im Qualitätswesen oder das Kreditmanagement.
Klar ist: Ohne kompetenten Partner ist all dies nicht zu bewältigen. Die Ressourcen am Markt werden aufgrund der steigenden Zahl an Projekten und des generellen Fachkräftemangels jedoch immer knapper. Und ganz nebenbei tickt die Uhr bis zum Wartungsende der SAP Business Suite 2027 unaufhaltsam weiter.
Ist die Entscheidung für ein S/4HANA-Programm gefallen, geht es im ersten Schritt um die Strategie. Was sind die Ziele der Transformation, was ist die Motivation und was wird dafür benötigt? Welche Cloud- oder Nicht-Cloud-Strategie wird verfolgt, Public oder Private? Wo auf der Skala zwischen reiner System-Conversion und der Neueinführung liegt die unternehmensspezifische Roadmap? Was soll mit den Eigenentwicklungen in Richtung Clean-Core-Initiative geschehen? Was wird aus den Stamm- und Bewegungsdaten?
Hier ist ein durchdachtes Enterprise-Architecture-Management gefordert, um die gesamte IT- und Lösungslandschaft auf die Prozesse und an den Prozessen auszurichten. So ist der technische Umstieg nur eine Komponente eines umfassenden Transformationsprogramms.
Prozesse, Menschen und Kompetenzen im Mittelpunkt
Die Change-Strategie muss die Business- & Transformationsziele mit den Geschäftszielen in Einklang bringen. Daher stehen die Prozesse, die Menschen und ihre Kompetenzen bei einem entsprechenden Projekt im Vordergrund. In dieses Bild passt das Ergebnis einer S/4HANA Changemanagement-Studie unter Beteiligung der DSAG.
Die besten 25 Prozent der Unternehmen, die nach eigener Einschätzung alle Kategorien des Changemanagements erfolgreich gestaltet haben, schneiden bei den Ergebnissen um ein Vielfaches besser ab als die schlechtesten 25 Prozent. Bei der Nutzerakzeptanz um den Faktor 20, bei der Einhaltung des Budgetrahmens um den Faktor sieben und bei der Einhaltung des Zeitrahmens um den Faktor fünf.
In punkto Nutzerakzeptanz zeigt das Ergebnis, dass die menschlichen und prozessualen Themen bei einer S/4HANA-Transformation immens wichtig sind. Gute Erfahrungen in dem Zusammenhang haben Unternehmen mit Change Agents gemacht, die sehr nahe am Projekt, sehr nahe an den Mitarbeitenden und bestens informiert sind. So lassen sich Stimmungen aufnehmen, Ängste oder Verunsicherungen aufgreifen, um frühzeitig gegenzusteuern. Ein Projekt-Update alle drei Wochen im internen Newsletter ist wenig hilfreich. Motivation entsteht durch Teilhabe und eine emotionale Verbindung.
Regelmäßig z. B. mit kurzen Videos Erfolge, aber auch Misserfolge im Projektverlauf zu vermitteln, schafft die notwendige Nähe und Authentizität. So entwickeln die Mitarbeitenden im besten Fall ein entsprechendes Mindset, durch das sie für das Projekt regelrecht „brennen“, es aus voller Überzeugung annehmen und umsetzen und nicht als bloße Arbeitsanweisung verstehen. Dann kommen auch eher am Projekt unbeteiligte Kolleginnen und Kollegen mit Fragen und Ideen und bringen sich ein.
An einem Strang ziehen
Hilfreich ist es zudem, wenn Fachbereich und IT bereits in der Evaluierungsphase an einem Strang ziehen. Das schafft Identifikation, die mit „vermeintlichen“ Kleinigkeiten wie einem Projektnamen und einem Projektlogo noch deutlich gesteigert werden kann. Jeder im Team muss das Gefühl haben, mittendrin zu sein und nicht nur dabei. Die Fusion der beiden Welten macht ein Team schneller, effizienter und besser.
Teammitglieder für zwei Jahre aus ihren Bereichen für ein Transformationsprojekt bei Aufrechterhaltung des Tagesgeschäfts herauszuziehen, ist kein vielversprechender Ansatz. Diejenigen sollten je nach Projektumfang und personellen Voraussetzungen beispielsweise zu 100 oder 80 Prozent in das Team wechseln. Dennoch bleibt ja die Verbindung zum Fachbereich bestehen, was die Möglichkeit bietet, die eigene Motivation für das Projekt als Multiplikator weiter zu verbreiten.
Vorbereitung ist das A und O
Neben der klaren Strategie spielt die Vorbereitungszeit eine große Rolle. Wichtig ist auch, die eigene Situation in puncto Lizenzen und Nutzungsgebühren zu berücksichtigen. Es gibt zahlreiche Punkte, die betrachtet und entschieden werden müssen. Daher ist ein fester Rahmen, sowohl zeitlich als auch budgetär sehr wichtig.
Als konkretes Beispiel ist die Umstellung der Geschäftspartner vernünftig zu durchdenken und umzusetzen. Das kann je nach Umfang im Durchschnitt in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten zu schaffen sein. Zudem lässt sich ein Programm besser meistern, wenn es in Projekte mit festen Zeitrahmen gegliedert und diese nach und nach erfolgreich abgeschlossen werden. Auch hier bestätigt ein Blick auf die Changemanagement-Studie: Unternehmen mit erfolgreichen Programmen waren bei der Einhaltung des Zeitrahmens um den Faktor 5 besser als die weniger erfolgreichen.
Projektleitung ist keine Nebenher-Aufgabe
Es muss zudem klar sein, dass die Projektleitung eines S/4HANA-Projekts nicht noch „mitgemacht“ werden kann. Projektleiter, die auch die Kommunikation nach innen und außen übernehmen und das Changemanagement steuern müssen, werden scheitern. Die volle Konzentration muss dem Projekt gelten und nur dem Projekt. Dies im Vorfeld zu klären und festzulegen ist unerlässlich.
Gut selektierte und einfach zu konsumierende Informationen dazu stellt z. B. das Ressort Transformation der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe in seinen Arbeitskreisen zur Verfügung.
Patrick Kosche und Eric Neiser bilden das Sprecherteam des Arbeitskreises S/4HANA Transform der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V.