Rolle von ERP bei IoT-Anwendungen ERP-System befindet sich im „Driver Seat“
8. März 2016Der Begriff „Industrie 4.0“ (I4.0) oder auch der Oberbegriff „Internet of Things“ (IoT) stehen dafür, dass die ERP-Systeme in den Produktionsbetrieben die komplette Wertschöpfungskette mit einer anpassungsfähigen Unternehmenssoftware in den Kernprozessen unterstützen müssen. Mit IoT kommen viel mehr Informationsobjekte in die Gleichung – welche Voraussetzungen muss ein ERP-System mitbringen, um die gestiegenen Datenmengen und die zusätzlichen Abläufe im Unternehmen zu beherrschen und zu unterstützen?
Steuerungshierarchie
In der komplexen Systemarchitektur von I4.0, oder besser gesagt bei allen IoT-Szenarien, wird das ERP-System zwar formal nur einen Platz unter vielen Systemen (beispielsweise Manufacturing Execution System – MES –, Cloud IoT System, CRM, etc.) einnehmen. Doch ERP hat hier jedoch eine sehr wichtige Rolle zu spielen. Im Wesentlichen müssen ERP-Systeme deshalb eine hohe Integrationsfähigkeit aufweisen. Diese Integrationsfähigkeit muss natürlich die unterschiedlichsten Systeme der unterschiedlichen Hersteller einschließen. Damit ist auch gesagt: Mit einem ERP-System alleine lassen sich „Industrie 4.0 Prozesse“ nicht umfänglich genug abbilden.
Vielmehr ist und bleibt das ERP-System der „Enterprise Backbone“, um Industrie 4.0-basierte Entscheidungen vorzubereiten, mit kaufmännischen Daten anzureichern und die getroffenen, oder besser vorhergesagten Ereignisse durch Aktionen im ERP zu unterstützen. Viele ERP-Systeme dürften sich mit Industrie 4.0-Folgeprozessen schwer tun. Das enorme Performance Plus einer SAP HANA-Plattform beziehungswiese die ganz neue Bauart einer SAP S/4HANA-Anwendung hält hingegen die richtigen Antworten parat.
Die Rolle des „Driver Seats“ im Sinne der Orchestrierung der Datenströme eines Industrie 4.0-Verbunds liegt beim ERP-System. Eine Verbundlösung, in die neben dem ERP-System als „Orchestrierungs- und Entscheidungsinstanz“ alleine nur MES eingebunden wäre, würde zur Abbildung von Industrie 4.0-Prozessen zu kurz greifen. So spielt die Musik bei Industrie 4.0-Prozessen auf allen Ebenen der Automatisierungspyramide, also ERP->MES->SCADA->Maschine und zurück. SCADA steht dabei für „Supervisory Control and Data Acquisition“, also technische Prozesse mit IT überwachen und steuern.
Das führt hinunter bis in die Sensorik einzelner Aggregate und Bauteile einer Maschine. Das heißt, neben MES spielt auch die Hardware eine bedeutende Rolle. Neben den Systemen der Automatisierungspyramide entstehen aktuell weitere Systeme, um Industrie 4.0-Abläufe durch Netzwerkeffekte weiter zu optimieren. Die bis dato eher vorherrschende „Shop Floor Produktionssicht“ beleuchtet eben nur eine Facette von Industrie 4.0. Die andere Seite – nämlich der Einbezug aller Player (Kunden, Lieferanten, Betreiber, Dienstleister) kommt in der Diskussion jedoch noch viel zu kurz, ist jedoch fast bedeutsamer. Daher ist Industrie 4.0 ohne Internet of Things nur eine halbe Sache.
Kopplung von ERP und MES
Das wichtigste sind Standards für die übergreifende Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Systemen der verschiedenen Anbieter. Von der Vielzahl der aktuell sehr vielfältigen Standardisierungsbemühung dürften – wie so oft – am Ende nur wenige Defacto-Industriestandards übrig bleiben. Das ist auch gut so, denn so kommen wir zu belastbaren Funktions- und Investitionsperspektiven. Das Aufsetzen einzelner Lösungsbausteine auf ein- und derselben Plattform, etwa der SAP HANA Cloud-Plattform, erleichtert die verbleibenden Kopplungsarbeiten zudem ganz erheblich und sorgt zudem für die notwendige Performance.
Um ein reibungsloses Zusammenspiel zu erzielen, wenn andere Unternehmen, sprich die Zulieferer und die Kunden, mit eingebunden werden müssen reicht die Internet-Technologie alleine nicht aus. Sie sorgt lediglich für die gemeinsame Basis. Standards in Form von durchsetzungsstarken Defacto-Industriestandards sind hier noch entscheidender, denn mit dem Einbezug ganzer Lieferketten steigt ohne Zweifel auch die Komplexität. Davor darf Industrie 4.0 jedoch nicht kapitulieren, denn gerade Netzwerkeffekte von kollaborativen Geschäftsmodellen bergen ein enormes Prozessoptimierungspotenzial. Schon heute wird, die wenigstens wissen das, über die SAP Businessplattformen wie etwa Ariba mehr als doppelt so viel Geschäftsvolumen generiert, als bei ebay, alibaba und amazon zusammen! Das zeigt zudem: mit purer, nach innen gerichteter Shop Floor-Sicht ist es in Sachen Industrie 4.0 keinesfalls getan.
Innerhalb von Lieferketten geben meist die Kunden, zu allerletzt die Endkunden, den Takt vor. Je eindeutiger sich also etwa die Automobilhersteller oder „First Tier Supplier“ in Sachen Industrie 4.0 positionieren, desto klarer werden hier auch die Herausforderungen für die gesamte Zulieferindustrie. Industrie 4.0 wird jedoch auch zu ganz neuen Geschäftsmodellen führen. Ein Beispiel wäre ein Verpackungsmittelhersteller, der zukünftig über die bloße Herstellung der Verpackung auch das eigentliche Verpacken samt Distribution für seine Kunden, etwa die Pharma-Hersteller, übernehmen könnte. Ohne Industrie 4.0 Prozesse ist das nicht möglich.
Alexander Herfort
ist Business Development Expert für Industrie 4.0 und Internet of Things bei der All for One Steeb AG.