Im „ERP-Interview“: Karsten Sontow, Trovarit ERP-System bleibt die „Single Source of Truth“
16. Juli 2015Schlagworte wie Industrie 4.0, Multi-Channel-Strategien, Smart Services oder auch die „App-lifizierung“ von Business Software werden von den Marktforschern ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, das ERP-System der Zukunft zu charakterisieren. Im Interview mit Line-of.biz erläutert Karsten Sontow, Vorstand bei der Trovarit AG, welche Entwicklungen er als relevant ansieht und wie sich dabei auch die Komplexität beherrschen lässt. Trovarit spielt eine tragende Rolle auf der IT & Business (29.09. bis 1.10.2015 in Stuttgart), wenn es um die Systemauswahl im ERP-, CRM- und ECM/DMS-Umfeld geht.
Digitalisierung
Digitalisierung der Unternehmen – so das Schlagwort für die anstehende Transformation: Wie muss ein ERP-System gebaut sein, um hier keine „Bremse“ darzustellen?
Sontow: ERP-Lösungen decken ein breites betriebliches Aufgabenspektrum ab und dienen – je nach Branche und Einsatzszenario – erfahrungsgemäß zwischen 20 Prozent und 90 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens als Werkzeug für die tägliche Arbeit. Damit sind ERP-Systeme einerseits buchstäblich zentrales Mittel zur Digitalisierung der Unternehmen. Andererseits laufen ERP-Infrastrukturen aufgrund ihrer technisch bedingten Komplexität Gefahr, durch mangelnde Flexibilität die Transformation hin zu einer weitergehenden Digitalisierung zu behindern. Dagegen schützen moderne Software-Architekturen, bei denen die einzelnen Programmbestandteile – „Services“ – nach dem SOA-Prinzip strukturiert sind und das Zusammenspiel dieser Services durch die Geschäftsprozesslogik konzertiert wird. Darüber hinaus tragen klar definierte Schichtenarchitekturen, z.B. für länder-, branchen-, kunden- und benutzerspezifische Varianten bzw. Anpassungen, zur Komplexitätsreduzierung und damit zu mehr Flexibilität bei.
Wie sieht das ERP-System der Zukunft aus?
Sontow: Die Zukunft von ERP lässt sich stark idealisiert wie folgt beschreiben: Das ERP-System der Zukunft dient im Kontext anspruchsvoller Anwendungsszenarien, wie z.B. „Industrie 4.0“ (Industrie), „Multi-Channel-Verkauf“ (Handel) oder auch „Smart Services“ (Dienstleistung) als Rückgrat für die effiziente Unternehmenssteuerung. In der Rolle der „Single Source of Truth“ für die wichtigsten Stamm- und Bewegungsdaten (z.B. Artikel-, Materialstamm, Auftragsnummern, -mengen und -termine) fungiert das ERP-System als zentrale koordinierende Instanz im Rahmen der inner- und überbetrieblichen Auftragsabwicklung. Unter Nutzung von Big Data in Verbindung mit Advanced Planning and Scheduling-Ansätzen verlagert sich das Steuerungsprinzip der ERP-Systeme zukünftig hin zu einer prognosebasierten Regelung in Echtzeit. Als Werkzeug am oberen Ende der „Daten-“ und „Steuerungspyramide“ ist das ERP-System bei aller Zentralität offen für dezentrale (Selbst-)Steuerung von Aufträgen, z.B. auf dem Shopfloor. Dabei erleichtert das ERP-System dem Anwender mittels rollen- und kontextbasierter Benutzerführung in Verbindung mit einer einfachen mobilen Nutzung der ERP-Infrastruktur über Apps seine tägliche Arbeit.
Dezentrale Steuerung
Ist das heute schon Realität?
Sontow: In der Praxis sind viele ERP-Systeme von diesem Szenario durchaus noch ein Stück entfernt. Das gilt offenbar schon für die einfache Usability und uneingeschränkte mobile Nutzung – wenn auch sehr viele ERP-Anbieter hier zwischenzeitlich große Fortschritte erzielen. Wenn es um Echtzeitsteuerung und realitätsnahe Prognosen geht, dann sind viele ERP-Lösungen mit ihren etablierten MRP II-Ansätzen und der damit oft einhergehenden Sukzessiv-Planung davon noch weit entfernt.
Wie lässt sich bei den gestiegenen Anforderungen an ein ERP-System der Zukunft all das in einer sinnvollen Einführungsphase umsetzen?
Sontow: Letztlich geht es bei ERP-Projekten immer um die Beherrschung von Komplexitäten: Ein Treiber in diesem Zusammenhang ist der Umfang der ERP-Lösungen mit ihren quasi unbegrenzten Gestaltungsmöglichkeiten. Aber auch die erheblichen Unschärfen in der Kommunikation zwischen den Beteiligten in einem Projektteam bei der Beschreibung von Anforderungen einerseits und den Lösungsvorschlägen andererseits tragen ihres dazu bei. Der Ansatz geht letztlich nur über Standards und Templates sowohl für die Software (z.B. Branchen-Templates) als auch für die fachliche, terminliche und budgetbezogene Projektierung und Projektsteuerung.
ERP aus der Cloud
Welche Rolle wird künftig ERP-Software aus der Cloud oder als Software-as-a-Service spielen?
Sontow: Der Einsatz von ERP aus der Public Cloud wird auf absehbare Zeit auf schlanke ERP-Szenarien mit geringem Individualisierungsbedarf und relativ geringer Integration in angrenzende Software-Anwendungen begrenzt bleiben. Ursächlich hierfür ist der – im Interesse der notwendigen Skalierbarkeit des Betriebsmodells – ausgesprochen hohe Standardisierungsgrad der Lösungen und die daraus resultierenden sehr begrenzten Anpassungsmöglichkeiten. Derartige Einschränkungen greifen bei Private Cloud-Ansätzen in deutlich geringerem Umfang. Entsprechend können mit Private Cloud-Szenarien Individualisierungsbedarfe, wie sie insbesondere in Fertigungsunternehmen und aber auch in vielen Handelsunternehmen oft zu finden sind, durchaus umgesetzt werden. Allerdings gehen mit der Individualisierung in der Private Cloud auch die Skalierbarkeit und damit auch ein Großteil der wirtschaftlichen Vorteile verloren. Insofern wird für die Kern-ERP-Applikation in Industrie- und auch in vielen Handelsunternehmen auch zukünftig das On-Premise-Modell eine große Rolle spielen. rhh
Bei Fragen rund um die Evaluation, Einführung und den optimalen Einsatz von Business Software empfiehlt sich ein Besuch bei Trovarit auf der IT & Business 2015 (29.09. bis 1.10.2015, Stuttgart) in Halle 1, Stand C61. Hier geht es zur Terminvereinbarung.
Wer Orientierung auf dem breiten Markt für Business Software (ERP, CRM und ECM/DMS) benötigt, der kann sich den Guided Tours auf der IT & Business 2015 anschließen:
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