Trovarit-Studie: Gutes Zeugnis für 41 ERP-Lösungen und ihre Software-AnbieterSchlankere Lösungen mit den etwas besseren Noten

3. November 2020

Seit nunmehr 16 Jahren untersucht die Trovarit AG regelmäßig den ERP-Einsatz in der betrieblichen Praxis. An der diesjährigen 10. Auflage der Studie „ERP in der Praxis“ beteiligten sich weit über 2.000 Unternehmen. Fragen zur Zufriedenheit mit der eingesetzten ERP-Lösung und zum Nutzen, den der Einsatz der Lösung mit sich bringt, standen im Vordergrund. Darüber hinaus wollten die Studieninitiatoren auch etwas über die Erwartungshaltungshaltung der Software-Anwender hinsichtlich des „ERP der Zukunft“ in Erfahrung bringen.

ERP-Systeme gelten als Steuerungsinstrument für die wichtigsten Geschäftsprozesse in Unternehmen. Sind diese gut in ein Unternehmen integriert, steht einer positiven Geschäftsentwicklung zumindest softwareseitig nichts im Wege. Die Trovarit- Studie weist Zufriedenheitsbewertungen von 41 ERP-Lösungen auf. Die Bewertung zeigt im Vergleich zu 2018 insgesamt leichte Verbesserungen der Anwenderzufriedenheit.

Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Gesamtbeurteilung der Dienstleistungen des Software-Partners im Rahmen des laufenden Betriebs, aber auch während der Implementierung. Auch die ERP-Lösungen selbst schneiden insgesamt leicht verbessert ab (Note 1,80), so dass die Anwender sowohl für die Software als auch für die Dienstleistungen mittlerweile eine uneingeschränkte Gesamtnote „Gut“ vergeben. Wie in den Vorjahren schneiden „schlanke“ ERP-Lösungen, ausgesprochene Branchenlösungen und/oder Lösungen kleinerer Anbieter mit verhältnismäßig kleinem Kundenstamm am besten ab. Lösungen, die tendenziell eher bei größeren Kunden zum Einsatz kommen, befinden sich dagegen im Mittelfeld.

Dass bei kleineren Unternehmen viele Problembereiche von ERP-Installationen weniger gravierend ins Gewicht fallen, liegt im Wesentlichen daran, dass die Installationen in der Regel eine deutlich geringere Komplexität aufweisen. Die Software ist zudem oft einfacher gehalten, wird nahe am Standard eingesetzt bzw. bietet die erforderliche Flexibilität. Gleichzeitig ist die ERP-Software in eine einfachere Software-Landschaft eingebettet bzw. wird als Stand-Alone betrieben. Auch muss die Software auf die Belange von weniger Anwendern zugeschnitten werden und es müssen weniger Anwender geschult werden. Schließlich fallen bei kleineren Installationen, die oft nahe am Software-Standard betrieben werden, Release-Wechsel leichter.

Gewinner und Verlierer in punkto Zufriedenheit

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Bild 1. Systeme im Zufriedenheitsportfolio „Zufriedenheit insgesamt“; Quelle: Trovarit

Betrachtet man die Top-Platzierungen im Zufriedenheitsportfolio 2020/21, so zeichnen sich die dort positionierten Lösungen meist durch eine dieser Eigenschaften aus.

Dazu gehören überwiegend regional agierende Branchenspezialisten wie winweb-food (Nahrungsmittelindustrie) und work4all (Professional Services), schlanke Generalisten wie ORLANDO und BMD sowie Lösungen kleinerer Anbieter mit sehr überschaubarer Kundenbasis, wie CATUNO.pro, ISSOS PRO, syslog.ERP.
Das Segment der sehr anspruchsvollen ERP-Installationen (Einsatzschwerpunkt über 100 User) findet sich aufgrund der Komplexität der Installationen in der Gesamtschau des Zufriedenheitsportfolios seit jeher tendenziell im hinteren Bereich wieder. In diesem Jahr haben sich die „Schwergewichte“ aber besonders schwergetan.

Die Lösungen von Microsoft und SAP liegen recht stabil im Bereich der Bewertung aus der Vorstudie aus dem Jahr 2018. Infor LN und IFS Applications verlieren dagegen im Hinblick auf die Zufriedenheit mit dem Wartungspartner spürbar an Boden. Nach recht guten Bewertungen in den Vorjahren kommt die im Vergleich zur Vorstudie deutlich schlechtere Bewertung von IFS Applications vielleicht etwas überraschend. Mit einem „Gut“ bewegt sie sich zwar noch im Mittelfeld des Segmentes der größeren ERP-Installationen, liegt aber auch signifikant unter den Vergleichswerten aus 2018. Und dies, obwohl die Software in vielen relevanten Punkten wie der „Ergonomie“, „Mobilen Einsetzbarkeit“ oder auch der „Internationalität“ sogar positiv heraussticht.

Ganz unerwartet kommt das schlechtere Abschneiden für IFS Applications im Jahre 2020 aber auch nicht, sondern folgt bekannten Wirkmustern: So treibt die IFS die Umstellung der Installationen auf IFS Applications 10 voran. Durch die neue Technologie soll zukünftig der Betriebsaufwand spürbar reduziert werden. Zunächst nehmen aber viele Kunden den damit einhergehenden Release-Wechsel als erhebliche Belastung wahr. Auch hat die IFS auf Kapazitätsengpässe der letzten Jahre zuletzt mit Umstrukturierungen der Consulting-Organisation reagiert, um zukünftig flexibler agieren zu können. Auch wurden vermehrt Services über Partner angeboten. Derartige Umstellungen sind zwar oft notwendig und sinnvoll, belasten aber erfahrungsgemäß zunächst die Kundenbeziehungen, da viele etablierte – oft gewachsene und informelle – Kommunikationskanäle zwischen Anbieter und Kunden wegfallen.

Zufriedenheit im Detail

Betrachtet man alle 39 untersuchten Zufriedenheitsaspekte, dann offenbart der ERP-Einsatz ein sehr differenziertes Bild.

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Bild 2: Zufriedenheitsaspekte und deren Beeinflussbarkeit; Quelle: Trovarit

Wie in den Vorjahren bezieht sich die größte Kritik der Anwender nach wie vor auf die „Mobile Anwendbarkeit der ERP-Software“, sowie auf die „Technische bzw. Bediener-Dokumentation der Software“. Auch die „Dokumentation von Software-Anpassungen“ wird weiterhin schwach bewertet. Positiv fällt auf, dass die größten Fortschritte im Vergleich zur Vorstudie aus 2018 genau in diesen „Problembereichen“ zu verzeichnen sind. Offenbar tragen die seitens der Software-Anbieter ergriffenen Maßnahmen (z.B. vermehrte Umstellung auf Web-Technologien mit Responsive Design) mittlerweile erste Früchte.

Ebenfalls relativ kritisch sehen ERP-Anwender die Möglichkeiten, die ERP-Systeme im Hinblick auf das „Reporting und Formularwesen“ und die Anbindung anderer Lösungen über „Schnittstellen“ bieten, sowie die „Internationale Einsetzbarkeit“ ihrer ERP-Software. Letztere hat sich gegenüber der Vorstudie aber offenbar signifikant verbessert. Die hohe Varianz bei den besonders stark kritisierten Aspekten im Bereich der Mobility, Dokumentation und dem Reporting/Formularwesen legt nahe, dass es vereinzelt auch Lösungen gibt, die die jeweiligen Themen deutlich besser adressieren als die Mehrheit der Mitbewerber.

Im Hinblick auf die Unterstützung des ERP-Betriebs durch den ERP-Anbieter schneiden die „Beratung bei der Optimierung des ERP-Einsatzes“ sowie das „Schulungs- und Informationsangebot“ in den Augen der ERP-Anwender am schlechtesten ab, wobei es bei der Beratung offenbar positive Ausnahmen gibt.

Themen & Trends im ERP-Umfeld

Von Themen und Trends, die im ERP-Umfeld eine Rolle spielen, halten ca. 60% der befragten Anwender die „Daten- bzw. Informationssicherheit“ für sehr relevant. Die Einhaltung „Rechtlicher Vorgaben“ – z.B. GoBD, EU-DSGVO oder Branchenregularien wie die EU-Richtlinie 2011/62/EU zur Serialisierung im Pharmabereich – halten immerhin ca. 51% der Anwenderunternehmen für sehr relevant, wenn es um den Einsatz der ERP-Lösung geht.

Aus beiden Themenkreisen resultieren vor allem fachlich-funktionale Anforderungen, die durch die ERP-Software bedient werden müssen, sei es im Bereich der Zugriffssteuerung und des „Identity Management“, der rechtssicheren Archivierung von Auftrags- und Rechnungsbelegen, dem Nachweis der Gestattung zur Nutzung personenbezogener Daten oder der Verwaltung von Seriennummern in Verbindung mit Produktidentifikation GTIN/NTIN/PPN, Verfallsdatum sowie Chargennummern.

Auf den Plätzen folgen die Themen der „Software-Ergonomie“ (45%) und des „Mobilen ERP-Einsatzes“ (43%), bei denen es durchaus Schnittmengen wie das „Responsive Design“ gibt, zumindest wenn es um die Bedienung der ERP-Lösung über mobile Endgeräte wie Smartphone oder Tablet geht. Auch im Zusammenhang mit der mobilen Nutzung von ERP-Software spielt ein weiterer Trend eine große Rolle: Die „Echtzeitübertragung mobiler Daten“ (41%).

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Bild 3. Top10-Themen und Trends im ERP-Umfeld ; Quelle: Trovarit

Dabei geht es zum einen sicherlich auch um den performanten Einsatz der ERP-Software in mobilen Anwendungsszenarien. Noch wichtiger ist aber sicherlich die Möglichkeit, Zustands- und Steuerungsdaten in Echtzeit im Rahmen der Auftragsabwicklung verarbeiten zu können. Bewerkstelligt wird dies durch den Mobilfunkstandard 5G, der sich derzeit in der frühen Phase der Einführung befindet und dessen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Datenübertragungsrate, die verfügbare Bandbreite sowie im Hinblick auf Verzögerungen bei der Datenübertragung (Latenzzeit) im Vergleich zum Vorgängerstandard 4G völlig neue Größenordnungen erreicht.

Hintergrund zur Studie

Mit bisher insgesamt mehr als 17.500 Teilnehmern ist die Studie „ERP in der Praxis – Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven“ (www.trovarit.com/erp-praxis) der größte anbieterunabhängige Erfahrungsaustausch unter ERP-Anwendern. Die Studie wurde seit 2004 im Zweijahres-Rhythmus in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt.

Das Trovarit Research-Team wird dabei von einer internationalen Expertengruppe unterstützt. In dieser sind u.a. das Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen, das Center for Enterprise Resource Planning (CERP), die 2BCS AG (Schweiz) und Der ERP-Tuner (Österreich) vertreten.

Das Management Summary mit den wichtigsten Ergebnissen der Studie steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. Der Bericht zur Studie erscheint im Oktober 2020 und kann dann im Buchhandel sowie über die Homepage der Trovarit AG erworben werden.

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