DSAG-Einschätzung: SAP Business Suite und SAP Business Data CloudSuite first: DSAG begrüßt SAPs strategische Ankündigung
13. Februar 2025
Im Rahmen des „SAP Business Unleashed“-Events hat SAP nicht nur die Partnerschaft mit dem Technologieanbieter Databricks sowie das Lösungspaket SAP Business Data Cloud (BDC) angekündigt, sondern gleichzeitig die SAP Business Suite inhaltlich neu besetzt. Unter dem etablierten Begriff will SAP künftig Business-Applikationen, Daten und Künstliche-Intelligenz (KI)-Angebote fassen. Einher geht damit das Versprechen einer nahtlosen Integration der Line-of-Business-Applikationen, der SAP Business Technology Platform (SAP BTP) sowie der neuen SAP Business Data Cloud und des KI-Copiloten SAP Joule. Wie diese Ankündigungen zu bewerten sind, und was sie für Anwender bedeuten, ordnet die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) ein.
Aus DSAG-Sicht waren und sind integrierte Business-Prozesse einer der großen Vorzüge, die SAP so erfolgreich gemacht haben. „Grundlage war dafür eine starke Enterprise-Ressource-Planning (ERP)-Lösung mit fast allen notwendigen Funktionen von Finanzen bis Produktion in einem einzigen System”, ordnet Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Vertrieb, Produktion & Logistik, ein. Dieses Thema war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand vieler Diskussionen.
Aus DSAG-Sicht haben die zahlreichen SAP-Unternehmenszukäufe in der Vergangenheit, technologische Veränderungen sowie die strategische Ausrichtung des Software-Herstellers in Richtung Cloud bzw. Software-as-a-Service (SaaS) dazu geführt, dass das Portfolio immer kleinteiliger wurde. Beispiele sind hier das Customer-Relationship-Management (CRM) oder auch einzelne Finanz-Lösungen. „Die Komplexität in den Vertragsgestaltungen hat massiv zugenommen und resultierend auch das Kostenmanagement. Hinzu kamen Herausforderungen bezogen auf die Integration”, fasst Henzler zusammen. Insgesamt mussten Kunden abwägen, ob sie einen Best-of-Breed-Ansatz oder einen Best-of-Suite-Ansatz verfolgen wollten.
Zielbild: SAP Business Suite
Mit den nun angekündigten Neuerungen stärkt SAP den Ansatz eines integrierten Systems. „Wichtig dabei ist zu wissen, dass es sich bei der neuen SAP Business Suite um kein Produkt handelt, das der Kunde kauft. Vielmehr ist es ein Zielzustand”, ordnet Henzler ein. Dieser beinhaltet ein modulares ERP-System, dessen Lösungsumfang sich aus den prozessualen Anforderungen des Kunden zusammensetzt. Im Kern des Ganzen soll vorzugsweise die Public-Cloud-Edition von S/4HANA stehen. Ergänzt wird diese um weitere SAP-Lösungen, die möglichst ohne das Zutun der Kunden in den ERP-Kern integriert werden.
Durch unterschiedliche Journeys soll dieses Zielbild erreicht werden. Waren „RISE with SAP” und „GROW with SAP” bisher Produkte, die Kunden kaufen konnten, so wird es künftig eine RISE- oder GROW-Journey sein. „Hier kommt es auf die Ausgangssituation beim Kunden an, welche der Journeys für ihn relevant ist. RISE richtet sich nach wie vor an Kunden mit bestehenden ERP-Systemen, während GROW Neukunden adressiert”, so Henzler. Beide Reisen haben die Business Suite zum Ziel. Dabei besteht die Business Suite zukünftig größtenteils aus Public-Cloud-Lösungen.
Neue Bezeichnung für das Cloud-ERP
„Anstelle von RISE oder GROW with SAP kauft der Kunde künftig die Produkte ‘Cloud ERP Private’ oder ‘Cloud ERP Public’. Diese wiederum enthalten diverse SAP-Zusatzlösungen wie z. B. vormals ‘GROW with SAP’ Lizenzen für die SAP Sales Cloud V2 enthalten hat”, erläutert Henzler.
Die strategische Ausrichtung in Richtung Public Cloud – auch im Kontext von ERP mit S/4HANA Cloud Public Edition – ist schon länger bekannt. Nach wie vor ist der Weg besonders für Bestandskunden mit größerer Komplexität dorthin herausfordernd. Was für die Kunden gilt, gilt aus DSAG-Sicht auch gleichzeitig für SAP.
„Die Ankündigung der BDC zeigt das teilweise. So ist der strategische Fokus klar Richtung Public Cloud und damit auch Public ERP, jedoch richten sich viele Integrationen und auch Ankündigungen wie z.B. jetzt mit der BDC im ersten Schritt Richtung S/4HANA Cloud Private Edition”, sagt Henzler und ergänzt: „Angesichts der großen Installed Base ist das auch nicht verwunderlich. Jedoch besteht die große Herausforderung darin, das strategisch langfristige Ziel und die aktuelle Realität zu verbinden.“
Kommerzielle Anreize für treue SAP-Kunden
Ein aus DSAG-Sicht großer Nachteil bestand in der Vergangenheit darin, dass der Kunde nicht immer leicht davon profitieren konnte, bei SAP alles aus einer Hand zu kaufen. „Das führte oft dazu, dass in Ausschreibungen auch Lösungen weiterer Hersteller zugekauft wurden. Der Kunde musste immer wieder einzelne Deals mit SAP verhandeln – z.B. für CX- oder Procurement-Lösungen. Es fehlte die Transparenz, welchen kommerziellen Vorteil der Kunde denn tatsächlich davon hatte, alles von SAP zu beziehen. Außerdem wurden in der Regel Käufe aus der Vergangenheit bei neuen Deals nicht berücksichtigt für Rabatte”, fasst Henzler zusammen.
Zur Zufriedenheit der DSAG möchte SAP hier ansetzen. Ähnlich wie bei einer Versicherung, soll der Kunde davon profitieren, mehrere SAP-Produkte zu kaufen. „Es soll eine entsprechende Rabatt-Staffelung geben, die transparent macht, bei welcher Anzahl von gekauften SAP-Lösungen es welchen Rabatt gibt. Das schließt aus DSAG-Sicht auch den Bogen zu den RISE- und GROW-with-SAP-Journeys“, sagt Henzler und ergänzt: „SAP strebt eine kontinuierliche Entwicklung der SAP-Landschaften ihrer Kunden hin zu einer Public-Cloud-basierten Business Suite an. Das neue Lizenzmodell soll dabei das stufenweise Wachstum kommerziell unterstützen.”
DSAG begrüßt ganzheitlichen ERP-Plattform-Ansatz
Aus DSAG-Sicht ist diese strategische Entscheidung zu begrüßen. „Zum einen hebt das Zielbild der Business Suite die Stärken von SAP und eines Suite-first-Ansatzes hervor. Zum anderen zahlen die neuen RISE- und GROW-Journeys darauf ein, dass Kunden schrittweise ihre Landschaften modernisieren können und das ohne große finanzielle Einbußen, weil sie nicht direkt alles in einem großen Vertrag kaufen”, sagt Henzler.
Aus DSAG-Sicht erlebt der Kunde SAP so mehr als „One SAP” – und nicht als Unternehmen mit vielen kleinen Unternehmen, die all ihre Lösungen bestmöglich an den Kunden bringen möchten. Zudem schaffen feste Mengenrabatte als Ausgangsbasis für Verhandlungen aus DSAG-Sicht mehr Transparenz dahingehend, was ein Kunde davon hat, möglichst viele Lösungen aus dem SAP-Portfolio zu kaufen.
Auch der Ausblick auf mehr durch SAP verwaltete Integrationen ist aus DSAG-Sicht positiv zu bewerten. Bisher waren Kunden dafür verantwortlich, die Integrationen zwischen SAP-Lösungen aufzubauen und zu verwalten. Zukünftig soll es wie bereits für die Sales Cloud V2 „managed Integrations” geben, bei denen sich SAP um diese Themen kümmert. Das stellt aus Anwendersicht einen echten Mehrwert dar. Aber auch hier ist klar zu sehen, dass es sich primär auf die neuen Lösungen bezieht, die als Public-Cloud-Angebot auf der SAP BTP entwickelt wurden.
SAP kündigt SAP Business Data Cloud an
Eine weitere zentrale Ankündigung im Rahmen des SAP-Events bezog sich auf SAP Business Data Cloud. Mit diesem Angebot strebt SAP aus DSAG-Sicht eine systemübergreifende Harmonisierung der SAP-Datenhaltung an. Diese neue Lösung greift wiederum auf verschiedene Teillösungen zu, wie SAP Analytics Cloud (SAP SAC), SAP Datasphere, SAP Business Warehouse bzw. SAP BW/4HANA in der S/4HANA Private Cloud Edition.
„Im Zentrum von SAP BDC steht die Business Data Fabric. Hier sollen die Daten semantisch aufbereitet und einheitlich zur Verfügung gestellt werden. Die verwendeten Daten können aus dem verbundenen Eco-System kommen – entweder direkt aus allen SAP-Applikationen oder bereits aufbereitet über existierende Business-Warehouse-Systeme“, erläutert Sebastian Westphal, DSAG-Technologievorstand. Die in der BDC verfügbaren Daten wiederum können dann mit KI von SAP oder von 3rd-Party-Anbietern genutzt werden.
Lösung des langjährigen Integrationsdefizits?
Eine weitere von SAP angekündigte Neuerung stellen die sogenannten Insight-Apps dar. Dabei handelt es sich um von SAP gemanagte Datenprodukte, für die SAP sowohl das semantische Datenmodell als auch den laufenden Betrieb und die Weiterentwicklung übernimmt. Diese sollen Anwenderunternehmen somit out-of-the-box aktivieren können. Die Insight-Apps sollen Analysen und Planungen über alle Lines-of-Business ermöglichen – inklusive des Kerngeschäfts, Financials und Human Resources.
„Insofern das gelingt, würde ein jahrzehntelanges Defizit, das bisher individuell durch die Anwendungsunternehmen gelöst werden musste, behoben: die portfolioübergreifende Integration aller SAP-Applikationen“, ordnet Westphal ein. Entsprechend ihrer strategischen Ausrichtung liegt der Fokus des Angebots zunächst auf S/4HANA Private Cloud im Rahmen des kommerziellen RISE-Modells, für das ab S/4HANA RISE 2021+ SAP-gemanagte Datenprodukte bereitgestellt werden sollen. Die Integration von On-Premises-Systemen über Mapping- und Integrationslogiken im Zusammenspiel mit den Anwendungsunternehmen sind aussagegemäß in Vorbereitung.
Vertragliche und betriebliche Komplexität unklar
„Bei der Umsetzung wird es nun darauf ankommen, welche Insight-Apps SAP wann und zu welchen Rahmenbedingungen – also mit welchem Mehrwert, zu welchen Kosten und mit welchen Anforderungen – anbieten wird“, sagt Westphal und ergänzt: „Die vertragliche und betriebliche Komplexität ist noch nicht absehbar. Wir erwarten, dass umfangreiche Hinweise eingespielt werden und Systemzugriffe geklärt werden müssen – gerade für den Fall, dass SAP hier wirklich eine betriebliche Verantwortung übernimmt.”
Nach DSAG-Informationen wird demnächst eine Roadmap für die Insight-Apps folgen. Gleichermaßen soll SAP an einer Option für Kunden mit On-Premises-Quellsystemen wie S/4HANA arbeiten. „Die Option für On-Premises-Kunden ist unverzichtbar. Eine Integration von S/4HANA On-Premises- und ECC-Systemen ist sowohl technisch realisierbar als auch im Hinblick auf die bereits getätigten Kundeninvestitionen in SAP Business Warehouse (SAP BW), BusinessWarehouse-Bridge und Datasphere unerlässlich”, so Westphal. Allerdings ist aus DSAG-Sicht auch nachvollziehbar, dass das neue Angebot im Rahmen von RISE with SAP bei dem Software-Hersteller Priorität genießen wird – schließlich kann SAP hier eine Komplettintegration leichter realisieren, da nur wenig Kundenmitwirkung notwendig ist.
Relevanz bisheriger Datenarchitekturen
Mit der Einführung der BDC zeichnet sich aus DSAG-Sicht ein abermaliger Wandel in der SAP-Datenstrategie ab, der im Wesentlichen einen Lift-and-shift-Ansatz bedeutet, der bestehende datenhaltende SAP-Lösungen unterstützt und bisher BW-basierte Datenprodukte künftig in der BDC verfügbar macht.
„Für Unternehmen bedeutet dies einen Balanceakt: Bestehende Investitionen schützen und gleichzeitig den Zugang zur neuen Lakehouse-Architektur mit zusätzlichen Services erhalten. Legacy-Systeme sollen weiterhin betrieben werden können, während SAP-gemanagte Services die individuelle Datenhaltung zunehmend ersetzen”, ordnet Westphal ein. Langfristig könnten diese Entwicklungen aus DSAG-Sicht Auswirkungen auf die Produkt-Roadmaps bestehender Lösungen haben. Konkrete Kürzungen sind derzeit nicht absehbar, erscheinen aber wahrscheinlich. Die DSAG wird diese Entwicklung kritisch beobachten.
Databricks als integraler Bestandteil der SAP BDC
Im Zuge der BDC-Ankündigung hat SAP außerdem die vertiefte Partnerschaft mit dem Technologieanbieter Databricks bekanntgegeben. Mit der SAP BDC wird das Databricks-Portfolio weitgehend in das SAP-Ökosystem integriert – ein Modell, das viele Unternehmen von Hyperscalern wie Azure Databricks bereits kennen. Mit der BDC soll nun eine speziell angepasste SAP-Version des Databricks-Lösungsportfolios angeboten werden – mit wenigen Ausnahmen.
„Unternehmen können somit von den modernen AI- und Warehousing-Funktionen von Databricks profitieren und sollen individuelle Datenprodukte nahtlos in das SAP-Ökosystem integrieren können – mit geringer Einstiegshürde und über bestehende SAP-Verträge nutzbar“, ordnet Westphal ein. Sollte SAPs Datenproduktstrategie aufgehen, könnte die klassische Rohdatenverarbeitung zunehmend durch semantische Daten und Business-Logiken ersetzt werden. Herausfordernd bleibt aus DSAG-Sicht, wie sich komplexe Datenstrecken künftig umsetzen lassen, da in bestimmten Szenarien weiterhin generische Databricks-Tools oder Hyperscaler-Lösungen nötig sein könnten.
„Die SAP Business Data Cloud schafft wichtige Grundlagen für die Zukunft“, erklärt Westphal und ergänzt: „Sie kann unseren 4.000 Mitgliedsunternehmen helfen, ihre SAP-Daten besser zu nutzen – insbesondere für Business-AI-Szenarien.” Vorausgesetzt, SAP setzt seine Ankündigungen konsequent um, ermöglicht die BDC aus DSAG-Sicht Fortschritte in Prozessautomatisierung, Planung und Innovation. Zudem könnte sie als Integrations-Layer den Datenaustausch mit Data-Lakehouse- und Analytics-Plattformen erleichtern – auch über Hyperscaler hinweg dank der Databricks-Funktionalitäten.
DSAG begrüßt systemweite Umsetzung von Datenprodukten durch SAP
Die DSAG unterstützt die lang geforderte Einführung einer Data-as-a-Product-Philosophie. Während SAP in der Cloud eine gewisse Öffnung für Drittanbieter realisiert hat, blieb die Integration eigener Produkte bislang unzureichend. Die SAP BDC soll diese Lücke aus DSAG-Sicht nun schließen.
„Die Partnerschaft mit Databricks bietet eine attraktive Lösung für Unternehmen, die ihre SAP-Daten mit externen Analytics-Architekturen verknüpfen. Der Erfolg der BDC könnte sowohl für SAP als auch für Anwenderunternehmen richtungsweisend sein – auch wenn die langfristigen Auswirkungen und die gemeinsame Produktentwicklung noch offen sind”, ordnet Westphal ein. Besonders für SAP-zentrierte Architekturen ist entscheidend, dass die neuen Insight-Apps echten Business-Nutzen liefern, kosteneffizient sind und mit geringen technischen Hürden einhergehen. Die DSAG blickt gespannt auf die weitere Roadmap, Lizenzmodelle und erste Erfahrungsberichte zur Umsetzung. (rhh)