Positionspapier zu SAP S/4HANA der DSAG Einfluss von S/4HANA auf die IT-Gesamtarchitektur

21. April 2016

S/4HANA bringt den SAP-Anwenderunternehmen den Umstieg in das Echtzeit-Zeitalter – Geschäftsentscheidungen können dadurch auf Echtzeitdaten basieren. Zudem sei keine doppelte Datenhaltung mehr nötig – die in S/4HANA liegenden Informationen reichen aus, ein zusätzliches Business Warehouse muss nicht mehr betrieben werden. Für die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) handelt es sich bei diesem Schluss um eine Fehleinschätzung. Sie argumentiert, dass ein Data Warehouse (DW) für die Lösung künftiger Herausforderungen einer Optimierung bedarf. Doch für bestimmte Anwendungsszenarien, wie etwa die sichere Dokumentation historischer Daten oder die Aufbereitung und Verarbeitung heterogener Dateiformate, bleiben sie jedoch weiterhin relevant.

Run Simple

Mit S/4HANA verfolgt die SAP ein klares Ziel: „Run Simple“ lautet der treffende Slogan und bezieht sich auf eine möglichst weitgehende Vereinfachung der IT-technischen Abwicklung von Geschäftsprozessen. Dazu wurde die „Business Suite der nächsten Generation auf der Basis von HANA“ – S/4HANA – auch als neues Produkt vorgestellt. Großen Wert legt SAP auf die Echtzeitfähigkeit der Suite, sollen sich damit doch Geschäftsentscheidungen auf Realtime-Daten berufen können. Speziell im Analytik-Bereich spricht ein weiteres Argument für den Einsatz von S/4HANA: Durch den Einsatz der In-Memory-Datenbank SAP HANA benötige man keine doppelte Datenhaltung mehr – ein separates Business Warehouse könne entfallen. Alle Anforderungen an Analysen und alle Aspekte des Berichtswesens lassen sich über S/4HANA abdecken – so zumindest die übliche Argumentation pro S/4HANA.

Doch die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) kann sich dieser Meinung nicht anschließen. Sie sieht zwar den Bedarf, dass Data Warehouses für künftige Anforderungen optimiert werden müssen. Doch für bestimmte Anwendungsszenarien, wie etwa die sichere Dokumentation historischer Daten oder die Aufbereitung und Verarbeitung heterogener Dateiformate, bleiben sie jedoch weiterhin relevant.

Sicher ist für die Autoren des Positionspapiers des DSAG-Gremiums HANA Analytics, dass sich die Rolle des Enterprise Data Warehouse (EDW) in Zukunft deutlich wandeln und erweitern wird. Als Treiber in diesem Veränderungsprozess sehen sie:

  • die Integration von strukturierten mit weniger strukturierten Daten (Texte, Bilder, Videos),
  • Ansätze wie „Data Lakes“, bei denen die Struktur der verfügbaren Daten nicht immer schon vor der Auswertung komplett bekannt  oder vollständig vereinheitlicht ist,
  • die Verschmelzung von analytischer Funktionalität mit der operativen Nutzung innerhalb (neuartiger) Anwendungen,
  • offenere Schnittstellen für Daten und Metadaten (sie ermöglichen „Analytics as a Service“ sowie die Kombination derartiger Dienste zu komplexen analytischen Lösungen), und
  • die zunehmende Virtualisierung von Zugriffen auf verschiedenste Datenquellen über schnelle Netzwerke anstelle einer redundanten Speicherung der Informationen.

Integration

Der Positionierungs-Würfel zu S/4HANA; Quelle: DSAG

Vor allem die Integration und Harmonisierung von Daten stellt Anwenderunternehmen vor große Herausforderungen, zumal die heterogene Natur der Daten zunimmt. Verantwortlich dafür sind Faktoren wie Industrie 4.0 (mit der Integration von Maschinen-, Sensoren-, Betriebs- und Prozessdaten), das Zusammenführen von Daten aus externen Quellen (zum Beispiel aus Social Media Kanälen). Aber auch verteilte ERP-Systeme für unterschiedliche Unternehmenszweige und -Standorte, sowie verschiedene Systeme für verschiedene Unternehmensprozesse (etwa aus den Bereichen Produktion Logistik und Finanzen) machen die Aufgabe sehr komplex.

Deswegen müssen die auf die Speicherung, Zusammenführung sowie Analyse von Dateien und Informationen spezialisierten Datenbanken schneller, flexibler sowie einfacher werden. „Doch ganz verschwinden werden sie nicht, auch nicht durch die Einführung von S/4HANA“, so Gesa Fuchs, Sprecherin der Arbeitsgruppe HANA Analytics bei der DSAG. „Einige grundlegende Aufgabenbereiche, die den Einsatz eines Data Warehouse erforderlich machen, bestehen nach wie vor.“

Beim Data Warehousing liegt der Fokus auf der Datenerhaltung und der Aufbereitung sowie Analyse dieser Informationen. Beispielsweise spielt das Data Warehouse bei der Integration und Harmonisierung von Daten eine wichtige Rolle. Da die verschiedenen Geschäftsfelder und betriebswirtschaftlichen Abläufe eines Unternehmens größtenteils sehr unterschiedlich ausfallen, lassen sich diese nicht immer in einem System abbilden – so lautet die Argumentation im Rahmen der DSAG. Zwar könne S/4HANA dabei helfen, die Komplexität vor allem auf der technischen Seite zu reduzieren. Die Software werde die bestehende Heterogenität der Systeme und Daten aber nicht beseitigen, was die Existenz von Data Warehouses weiterhin nötig macht.

Auch für den Aufbau eines Corporate Memory, also alle gesammelten Daten und alles Wissen eines Unternehmens, oder der Analyse von Informationen aus verschiedenen zeitlichen Perspektiven bildet das Enterprise Data Warehouse (EDW) die Basis. Erst die dort dokumentierten historischen Daten ermöglichen Auswertungen über Datenänderungen über längere Zeiträume hinweg. In operativen Systemen werden Daten dagegen meist nur in der aktuellen Ausprägung gespeichert.

Die Anreicherung von Daten für Analysen oder Reports ist ein weiterer möglicher Anwendungsfall für Data Warehousing. Dadurch lässt sich beispielsweise eine HANA-Umgebung bei der rechenintensiven Aufbereitung von sehr großen Datenmengen entlasten. Die benötigten Transformationen sowie Vorberechnungen der Daten werden in das EDW ausgelagert und sparen somit Rechenleistung.

In diesem Kontext lassen sich auch Big-Data-Auswertungen und Advanced-Analytics-Lösungen betrachten, die bisher im Data Warehouse angesiedelt waren. Im Gegensatz zur Untersuchung von Ist- und historischen Daten konzentriert sich Advanced Analytics auf künftige Ereignisse und Vorausplanungen. Auch in Zukunft wird es der Ort für derartige Anwendungen sein – auch auf mehrere Systeme oder Instanzen verteilt. Ziel muss sein, dass die einzelnen Komponenten logisch integriert sind und effizient zusammenarbeiten. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, die Haltung redundanter Daten deutlich zu reduzieren. In dieser Beziehung kann und wird auch S/4HANA eine Rolle als Software für operative Auswertungen spielen.

BW und S/4HANA

Neue Geschäftsmodelle im Zuge der Digitalisierung treiben die Investitionen. Quelle: DSAG

Eine Kombination aus BW und S/4HANA hat für die Autoren des Leitfadens viel Charme: „Wird die HANA-Plattform als Umgebung für ein breites Spektrum analytischer Applikationen verwendet, können Nutzer sehr schnell von diversen Anwendungsvarianten profitieren. Unter anderem lassen sich aus BW-Objekten native HANA-Objekte generieren und umgekehrt. Gleichzeitig wird die Integration mit anderen Plattformen, wie zum Beispiel Hadoop, vorangetrieben, die eine skalierbare und simultan durchgeführte Verarbeitung von Big Data möglich machen.“ Die Grundlage für ein effektives Zusammenspiel zwischen SAP und anderen Umgebungen sei also bereits gegeben.

„Für die DSAG steht also nicht die Frage nach dem Aus des Business Warehouse im Mittelpunkt: Vielmehr geht es um die Beantwortung der Fragen, wie viel Einfluss S/4HANA auf die IT-Gesamtarchitektur nehmen wird und welche Rolle dabei künftig das Data Warehouse beziehungsweise das BW spielen wird“, erklärt Andreas Wilmsmeier, Sprecher der Arbeitsgruppe HANA Analytics bei der DSAG. „Die zentrale Aufgabe besteht darin, BW, S/4HANA und die weiteren auf der HANA-Technologie basierenden Lösungen in einen Zusammenhang zu bringen und aus diesen Bausteinen ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonstrukt zu fertigen“, so Wilmsmeier weiter. „Im Gegensatz zu einer einseitigen Verlagerung in S/4HANA stellt diese Lösung einen offenen Ansatz dar, der ein Potenzial besitzt, das in der reinen S/4HANA-Ausrichtung nicht geboten wird.“ (rhh)

Weitere Informationen bietet die DSAG in einem Positionspapier zum Download an.

DSAG-Positionspapier zu SAP S/4HANA

Die Urheber des DSAG-Positionspapiers zu SAP S/4HANA sind Mitglieder der Arbeitsgruppe HANA Analytics. Die Gruppe beschäftigt sich mit der Integration von SAP HANA in Business-Intelligence-Landschaften und hierfür geeigneten Einsatzszenarien. Dabei sollen ihre Erfahrungen und Ergebnisse in die Weiterentwicklung der HANA-Plattform und darauf basierender Analyselösungen einfließen. Zudem diskutiert die Arbeitsgruppe strategische und organisatorische Fragen zu SAP HANA.

Hier gibt es mehr Informationen zur Arbeitsgruppe und deren Themen.

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