So können Unternehmen die Ressource Wissen wertschöpfend nutzen und entwickeln Höhere Produktivität bei der Wissensarbeit

14. September 2015

Bei Wissenslandkarten handelt es sich um ein zentrales Werkzeug einer „lernenden Organisation“. Das Mindmapping bietet dabei aufgrund der Kombination von textlicher und visueller Darstellung eine pragmatische Möglichkeit, Wissenslandkarten einfach und mit wenig Aufwand zu erstellen. Einfachheit und geringer Aufwand sorgen dafür, dass die Motivation, Wissen in dieser Form zu dokumentieren und dadurch zu teilen deutlich größer ist als bei einer rein textlichen Dokumentation. Hinzu kommt, dass die Dynamik der Erstellung und kontinuierlichen Anpassung und Weiterentwicklung mit der Dynamik des Wissenszuwachses Schritt halten kann.

Produktivität trotz Big Data

Bild 2. Beispiel einer standardisierten Grundstruktur für eine Topic Map; Quelle: Mindjet

Wir leben in einer Informations– und Wissensgesellschaft – diese Aussage ruft heutzutage kaum noch Widerspruch hervor. Für Unternehmen und Organisationen bedeutet dies, dass ihre Prozesse, Produkte und Dienstleistungen zunehmend wissensintensiv sind und dass Wertschöpfung in einer Organisation zu einem großen Teil auf Wissensarbeit beruht. Damit wird eine produktive Gestaltung von Wissensarbeit zu einer wesentlichen Herausforderung für Unternehmen und deren Management.

Der wohl größte Hemmschuh für die Produktivität bei der Wissensarbeit ist die schiere Menge an Daten und Informationen, die aufgenommen und aus denen gegebenenfalls Erkenntnis gewonnen, also Wissen abgeleitet werden kann. Ein Grund für diese Flut an Daten und Informationen ist die hohe Dynamik, mit der sich neues Wissen sowohl in der Unternehmung selbst als auch in deren Umwelt entwickelt. Dieses Wissen kann heutzutage in Form von Daten und Informationen fast in Ist-Zeit weltweit kommuniziert werden. Hinzu kommen die fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten, aus einer Vielzahl an IT-gestützten Vorgängen Daten zu erheben, zu analysieren und zeitnah zur Verfügung zu stellen, Stichwort Big Data. Für eine Organisation, aber auch für jedes einzelne ihrer Mitglieder stellen sich die folgenden Fragen:

• Wie kann der Überblick über den Daten- und Informationsbestand bewahrt werden?
• Was ist relevant und was kann ignoriert werden?
• Und vor allem: Wie kann möglichst effizient Erkenntnis, also Wissen, aus diesen Daten und Informationen gewonnen werden?

Als entscheidend dabei gilt vor allem die Frage nach dem Erkenntnisgewinn, denn Daten und Informationen an sich stellen noch keinen Wert dar. Erst das daraus gewonnene Wissen versetzt in die Lage, Entscheidungen zu treffen und Handlungen auszuführen, d.h. nur in dem gewonnenen Wissen liegt das Potenzial für Wertschöpfung. Und nur im Wissen liegt das Potenzial für den entscheidenden Wettbewerbsvorteil in Märkten, die von zunehmend hoher Innovationsdynamik geprägt sind. Es geht also darum, aus wachsenden und kaum noch beherrschbaren Daten- und Informationsbeständen zeitnah und effizient Wissen zu gewinnen und insgesamt das Wissen (weiter) zu entwickeln.

Aufgrund der großen Menge an vorhandenem Wissen und dessen Entwicklungsdynamik ist ein zunehmend hoher Grad an Spezialisierung notwendig. Dies hat zur Folge, dass gegenseitige Vertretungen von Mitarbeitern immer schwieriger werden, aber auch, dass ein notwendiger Austausch von Wissen schwieriger wird, weil „man sich nicht mehr versteht“. Der produktive Austausch von Wissen, eine wesentliche Grundlage für die Weiterentwicklung von Wissen und damit letztlich für Innovation, braucht einen Raum eines gemeinsamen Verständnisses. Je höher der Grad an fachlicher Spezialisierung, desto schwieriger ist es, diesen Raum entstehen zu lassen.

Wissensaustausch wird darüber hinaus durch die Dezentralisierung von Wissen innerhalb und außerhalb der Organisation erschwert. D.h. die Experten sind unter Umständen über die ganze Welt verteilt, Kommunikation kann nur über technische Medien stattfinden. Gegebenenfalls wissen die Experten noch nicht einmal voneinander (und auch dem Unternehmen fehlt der Überblick über seine Wissensträger). Die Virtualisierung von Beziehungen erschwert das Entstehen des oben erwähnten Raums eines gemeinsamen Verständnisses, der nicht zuletzt auch ein Raum des gegenseitigen Vertrauens ist.

Und schließlich der allgegenwärtige Produktivitätshemmer Zeitarmut: Das Ableiten von Erkenntnis (Lernen), das Entwickeln von Wissen, das Treffen von Entscheidungen, das Austauschen von Wissen – all dies findet unter einem immer höheren Zeitdruck statt. Es gilt also, möglichst schnell und effizient einen Überblick über den Daten-, Informations- und Wissensbestand zu gewinnen als notwendige Grundlage für die oben genannten Prozesse.

Der Wissensarbeiter

Bild 3. Grundstruktur einer organisationalen Wissenslandkarte; Quelle: Mindjet

Wenn das Wertschöpfungspotenzial nicht in Daten und Informationen, sondern erst in dem daraus gewonnenen Wissen liegt, dann stellen kompetente und qualifizierte Wissensarbeiter für wissensintensive Unternehmen heute einen, wenn nicht gar den entscheidenden Wert (Asset) dar. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Humankapital. Die Verfügbarkeit dieser Wissensarbeiter ist jedoch durch den demografischen Wandel in den westlichen Industriegesellschaften gefährdet: Erfahrene Wissensarbeiter verabschieden sich in den Ruhestand, Nachwuchskräfte sind am Markt immer schwieriger zu finden. Für Unternehmen heißt dies:

• Wie kann das wertvolle Wissen der Wissensarbeiter für das Unternehmen gesichert und bewahrt werden?
• Wie kann dieses Wissen möglichst effektiv an andere, an den Nachfolger vermittelt werden?

In der revidierten Fassung der DIN ISO 90013 wird erstmals auch der Umgang mit dem Wissen der Organisation eine Rolle spielen. Forderungen, welche die Norm diesbezüglich aufstellt, sind:

1. Eine Organisation muss das für ihre Prozesse und qualitätskonformen Produkte und Dienstleistungen notwendige Wissen bestimmen (Was ist für uns relevant?).

2. Sie muss dieses Wissen aufrechterhalten. Dies heißt nicht nur sichern und bewahren, sondern auch, wo notwendig, kontinuierlich weiterentwickeln und damit aktuell halten.

3. Wann immer erforderlich, muss fehlendes Wissen durch die Organisation erworben werden, und zwar nicht nur aus externen Quellen, sondern auch aus internen, d.h. durch ein systematisches Lernen aus eigenen Erfahrungen, durch das Ableiten von Erkenntnis aus eigenen Daten und Informationen.

4. Vorhandenes Wissen muss in der Organisation vermittelt werden. Der Begriff ‚vermitteln‘ bedeutet dabei mehr als bloßes ‚zur Verfügung stellen‘. Vermitteln impliziert die Intention, Verständnis beim Wissensnehmer zu erzeugen und dessen Lernprozess wirkungsvoll zu unterstützen.

Es gibt also zahlreiche Gründe, sich als Unternehmen mit dem Thema Wissensmanagement, d.h. der systematischen und zielgerichteten Nutzung und (Weiter-) Entwicklung der Ressource Wissen, auseinanderzusetzen. Welche Hilfsmittel stehen nun zur Verfügung, um die oben aufgeführten Fragestellungen zu adressieren?
Für eine effiziente und effektive Informationsverarbeitung, d.h. das Ableiten von Erkenntnis und schließlich Gewinnen von Wissen, sind zwei Prinzipien entscheidend: das Aggregationsprinzip und das Hypothesenprinzip.

Zu aggregieren bedeutet, Informationen bereits beim Sammeln zu bündeln, d.h. Wichtiges zusammenzufassen, dadurch zu reduzieren und zu verdichten, Informationen zu strukturieren und in einen (Sinn-)Zusammenhang zu bringen. Das Aggregieren, also ‚Was gehört zusammen?‘, ‚In welchem Bezug stehen diese Einheiten wiederum untereinander?‘, folgt dabei Hypothesen, die bereits sehr früh in diesem Prozess entwickelt werden und die Informationssuche leiten und fokussieren. Dabei sind Hypothesen frühe Annahmen darüber, was wichtig oder unwichtig ist, bzw. was wie zusammengehört.

Aggregation und Hypothesenbildung unterstützen dabei, Informationen nicht wahl- und ziellos zu sammeln, sondern rasch zu verarbeiten und rasch Erkenntnis daraus abzuleiten und darauf aufbauend Wissen zu entwickeln. Sowohl Aggregation von Informationen als auch die Hypothesenbildung als wesentliche Grundlage für die Wissensentwicklung können durch eine visualisierte Darstellung der gedanklich sich entwickelnden Struktur unterstützt werden. D.h. ein Bild, das sich zunächst noch unklar und diffus im Kopf formt, wird auf „Papier gebracht“ und durch diese Externalisierung nicht nur klarer, sondern auch zu einem Referenz- und Ausgangspunkt für die weitere Reflexion. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Wissenslandkarten.

Wissenslandkarten

Bild 4. Beispiel für die Grundstruktur einer Debriefing-Map; Quelle: Mindjet

Eine Wissenslandkarte ist eine grafische Darstellung von Wissensgebieten oder auch Daten- und Informationsbeständen und deren Zusammenhängen, d.h. von der globalen Architektur eines Wissensgebietes. Sie stellen dadurch einen gemeinsamen Kontext oder ein gemeinsames Framework her, auf das sich die Mitarbeiter eines Unternehmens beziehen können, um entweder nach relevantem Wissen zu suchen oder aber auch relevantes Wissen – an der richtigen Stelle – beizutragen. Eine einfache Methode, Wissenslandkarten zu erzeugen, ist das Mindmapping. Im Folgenden sind einige Beispiele für unterschiedliche Arten von Wissenslandkarten aufgeführt.

Eine sogenannte Topic Map stellt ein Thema (Topic) in seinen unterschiedlichen Aspekten und Bezügen dar. Dies kann ganz frei geschehen, d.h. die Struktur der Map entwickelt sich im Entstehungsprozess und ist jeweils spezifisch für das jeweilige Thema bzw. für den jeweiligen Ersteller und dessen individuellen Prozess der Informationsverarbeitung bzw. Wissensentwicklung. In ihrem Entstehungsprozess unterstützt eine solche Topic Map aktiv das Aggregieren von Information sowie die Hypothesenbildung und damit die Aneignung von Wissen (Lernen) durch den Ersteller. Damit ist eine Topic Map ein nützliches Werkzeug im persönlichen Wissensmanagement.

Wird die Map gemeinschaftlich in einem Team erstellt, unterstützt sie sowohl das Entstehen eines gemeinsamen Wissensraums als auch das kollektive Lernen und kooperative Entwickeln von Wissen. Die fertige Map („fertig“ unter Vorbehalt, denn so wie sich das entsprechende Wissen weiterentwickelt, entwickelt sich auch die Topic Map dynamisch weiter) dient als einfache Wissensbasis sowohl im persönlichen Kontext (Ich kann mir selbst rasch einen Überblick über ein Thema verschaffen, das ich ggf. schon vor längerer Zeit bearbeitet habe) als auch im Kontext eines Teams. Im Team kann die Map dabei helfen, das Spezialwissen von Experten zumindest in seinen Grundzügen für andere zugänglich zu machen und damit das Teilen und gemeinsame Weiterentwickeln zu ermöglichen oder auch schlicht in Vertretungssituationen zu unterstützen.

Für eine Verwendung im Team kann eine standardisierte Grundstruktur der Map hilfreich sein, um eine rasche und möglichst einfache Rezeption durch alle Teammitglieder zu unterstützen. Im Bild 2 ist ein Beispiel für eine solche Grundstruktur zu sehen.

Eine Organisations-Wissenslandkarte nimmt nicht ein einzelnes Thema, sondern das gesamte Unternehmen oder einzelne Bereiche dieses Unternehmens in den Blick und macht sichtbar, wo im Unternehmen welches Wissen vorhanden ist — sei es in Form von Dokumenten und anderen Wissensquellen (Intranet-Seiten, Wiki-Artikeln) oder auch in den Köpfen der Experten. Eine solche Wissenslandkarte bietet dann tatsächlich im Sinne einer Landkarte Orientierung bei der Suche nach Wissen, indem sie die organisationale Wissensbasis sichtbar macht. Eine solche Wissenslandkarte kann aufgebaut sein, wie das in Bild 3 zu sehen ist. Die Größe der jeweiligen Äste zeigt die Wertigkeit des jeweiligen Wissensfeldes (Priorisierung) an oder auch den Reifegrad des Wissens.

Eine solche organisationale Wissenslandkarte beinhaltet darüber hinaus ein strategisches Moment: Sie zeigt nämlich die relevanten Wissensfelder der Organisation (Fokussierung) sowie deren Reifegrad (organisationales Lernen). Sie kann damit die wissensorientierte Strategieentwicklung unterstützen (‚Wo sind wir stark? Wo haben wir Bedarf?‘) und als Ignoranzfilter dienen (‚Welches Wissen gehört nicht in unseren Scope?‘). Vor allem Letzteres ist ein sehr hilfreicher Orientierungsrahmen für die Mitarbeiter hinsichtlich der täglichen Bewältigung der Informationsflut.

Die Debriefing-Map oder Expert-Map schließlich unterstützt beim sogenannten Expert Debriefing, also beim Wissenstransfer im Falle eines Wechsels oder Ausscheidens von Mitarbeitern. Das Expert Debriefing selbst besteht aus Interviews, in denen der ausscheidende Mitarbeiter (Wissensträger) sein Wissen mündlich an seinen Nachfolger oder auch eine größere Gruppe von Personen (Wissensnehmer) weitergibt. Diese mündliche Weitergabe wird begleitend in einer Map dokumentiert und visualisiert, und zwar für alle Teilnehmer sichtbar während des Interviews. So können sowohl der Wissensgeber als auch der/die Wissensnehmer unmittelbar verfolgen, wie sich das Erzählte als Struktur formt und darstellt, und können, falls notwendig, eingreifen und diese Struktur verändern, sodass sie am Ende dem eigenen „Bild im Kopf“ entspricht. Auch hier empfiehlt es sich, mit einer recht einfachen Grundstruktur zu beginnen. Diese kann zum Beispiel so aussehen, wie das in Bild 4 zu sehen ist.

Diese Struktur dient sowohl der Systematisierung des Transfers, nicht nur während der eigentlichen Interviews, sondern auch in der Zeit zwischen den Interviews und danach als Orientierungshilfe für den Nachfolger: ‚Wie geht gleich nochmal…?‘, ‚Wo finde ich gleich nochmal…?, ‚Wer kann mir hier gleich nochmal…?‘
Warum sind Wissenslandkarten im Wissensmanagement ein so mächtiges Instrument? Sie verbinden eine textliche Aufbereitung von Wissen – in sehr knapper Form – mit der Visualisierung der Zusammenhänge und der Struktur und damit des Kontextes. Letzterer wiederum ist grundlegend für ein richtiges Verständnis und eine angemessene Einordnung der einzelnen Knowledge Nuggets (kleinste Wissenseinheiten) und damit die Basis für eine mögliche Weiterentwicklung des dargestellten Wissensbestandes.

Die Visualisierung von Wissen hat sich in den letzten Jahren im Wissensmanagement zu einem der zentralen Themen entwickelt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Eine bildliche Darstellung kann in der Regel komplexe Zusammenhänge, abstrakte Sachverhalte oder auch größere Daten- und Informationsmengen (auf einen Blick) nachvollziehbar machen. Sie unterstützt zudem den Erkenntnisgewinn durch Mustererkennung. Des Weiteren ist ein Bild in der Lage, Kontextwissen (das so genannte Big Picture) mit zu vermitteln, indem es die Zusammenhänge sichtbar macht.

Ein Bild kann durch seine Symbolkraft das so genannte implizite Wissen, also dasjenige Wissen, das sich kaum in Worte fassen lässt, sichtbar machen und dient damit dem Wissenstransfer. Außerdem lässt sich durch die Visualisierung– durch die Aktivierung weiterer Gehirnbereiche – die Kreativität und damit die Generierung neuen Wissens anregen, indem sie Interpretationsräume und Spielräume, im wahrsten Sinne des Wortes, eröffnet. Sie kann überhaupt erst motivieren, sich überhaupt mit einem Sachverhalt zu beschäftigen, weil sie neugierig macht und einlädt, sie zu ergründen und zu verstehen.

Gabriele Vollmar

ist Inhaberin der Unternehmensberatung Vollmar Wissen + Kommunikation. Sie unterstützt Organisationen bei der Einführung von Wissensmanagement. Sie ist außerdem Mitglied des Beirats der Deutschen Gesellschaft für Wissenmanagements e.V. Sie hat verschiedene Lehraufträge und auch das Buch "Knowledge Gardening. Wissensarbeit in intelligenten Organisationen" veröffentlicht.

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